29.08.2018

Vorhersagen für die Beschleunigerphysik

Elegante Nutzung der Symmetrie vereinfacht die Berech­nung von Streu­ampli­tuden.

Mithilfe großer Teilchenbeschleuniger wie dem Large Hadron Collider am Forschungs­zentrum CERN bei Genf unter­suchen Wissen­schaftler den Auf­bau der Materie. Am LHC stoßen Protonen mit sehr hoher Energie zusammen und die dabei neu ent­stehenden Teil­chen werden nach­ge­wiesen. Theore­tiker arbeiten daran, Vor­her­sagen für solche Experi­mente zu machen. Einen wesent­lichen Beitrag dazu liefert jetzt eine theo­re­tische Arbeit von Forschern an der Uni Mainz, die auf eine grund­legende Ver­ein­fachung für die Berech­nung von Streu­pro­zessen abzielt.

Abb.: Feynman-Diagramm, das einen Streu­pro­zess von zwei nach drei Teil­chen beschreibt. (Bild: D. Chicherin, J. M. Henn & E. Sokatchev / APS)

Streuprozesse werden durch Wahrscheinlichkeiten, die Streu­ampli­tuden, beschrieben. Um diese vorher­zusagen, sind kompli­zierte Berech­nungen not­wendig. Dmitry Chicherin, Johannes Henn und Emery Sokatchev haben unter­sucht, wie mit­hilfe von Symmetrie eine ver­gleichs­weise ein­fache Vorher­sage auch ohne auf­wändige Berech­nungen erfolgen kann. Symmetrie bedeutet, dass die Eigen­schaften der Teil­chen unter einer Reihe von Trans­for­ma­tionen unver­ändert bleiben, zum Beispiel unter bestimmten Trans­for­ma­tionen der Raum­zeit. „Man kann die Lösung einer Gleichung sehr effi­zient und ein­facher finden, wenn man die Symmetrie kennt“, erklärt Sokatchev.

Da Teilchenkollisionen in Beschleunigern bei extrem hohen Energien erfolgen, können die Masse der Teil­chen meist vernach­lässigt werden. In diesem Fall besteht eine zusätz­liche Symmetrie der Raum­zeit, die konforme Symmetrie, die für masse­lose Teilchen zuständig ist. „Wie genau können wir nun diese Symmetrie nutzen, um die Ergeb­nisse vorher­zu­sagen?“, formu­liert Sokatchev die Ausgangs­frage der Unter­suchung – mit der die Wissen­schaftler Neu­land betreten, weil es kaum Arbeiten zu diesem als sehr schwierig geltenden Thema gibt.

„Wir haben ein Problem gewählt, das mit traditionellen Methoden nur schwer zu berechnen ist, und haben dann an einem nicht trivi­alen Beispiel gezeigt, wie unsere neue Gleichung funk­tio­niert“, so Sokatchev. Das Ergebnis besteht aus zwei Teilen: Zunächst wurde aus­ge­arbeitet, was die kon­forme Symmetrie über Streu­ampli­tuden aus­sagt und dies in Form einer Gleichung formu­liert. Diese Gleichung schränkt die Lösung ein. Im zweiten Schritt haben die Forscher die Gleichung explizit für einen Zwei-nach-drei-Prozess gelöst, also für einen Zusammen­stoß von zwei Teil­chen, bei dem drei Teil­chen ent­stehen. „Für uns war es ein wich­tiger Punkt, dass wir sehen konnten, wie man diese Diffe­ren­zial­gleichung anwenden und die Lösung aus­arbeiten kann“, ergänzt Henn.

Und stimmt das Ergebnis? Die jetzt vorgelegte analytische Lösung beschreibt, wie der Streu­prozess von der Energie der Teil­chen und dem Streu­winkel abhängt. Zum einen gab es Ver­mutungen, welche Struktur die Lösung haben könnte. Das habe sich bestätigt, so Henn. Außer­dem können nume­rische Lösungen zur Über­prüfung ver­wendet werden. Auch dieser Test wurde bestanden. Für die Zukunft sind damit aber noch nicht alle Fragen beant­wortet. „Der jetzige Beitrag ist ein High­light unserer Forschung auf diesem Gebiet“, sagt Henn. „Aber es gibt noch einige Rätsel, zum Beispiel wie die all­ge­meine Lösung dieser Diffe­ren­zial­gleichungen lautet.“ Ein Thema, das künftig mit Experten aus der Mathe­matik erörtert werden soll.

JGU / RK

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