Vorhersagen für die Beschleunigerphysik
Elegante Nutzung der Symmetrie vereinfacht die Berechnung von Streuamplituden.
Mithilfe großer Teilchenbeschleuniger wie dem Large Hadron Collider am Forschungszentrum CERN bei Genf untersuchen Wissenschaftler den Aufbau der Materie. Am LHC stoßen Protonen mit sehr hoher Energie zusammen und die dabei neu entstehenden Teilchen werden nachgewiesen. Theoretiker arbeiten daran, Vorhersagen für solche Experimente zu machen. Einen wesentlichen Beitrag dazu liefert jetzt eine theoretische Arbeit von Forschern an der Uni Mainz, die auf eine grundlegende Vereinfachung für die Berechnung von Streuprozessen abzielt.
Abb.: Feynman-Diagramm, das einen Streuprozess von zwei nach drei Teilchen beschreibt. (Bild: D. Chicherin, J. M. Henn & E. Sokatchev / APS)
Streuprozesse werden durch Wahrscheinlichkeiten, die Streuamplituden, beschrieben. Um diese vorherzusagen, sind komplizierte Berechnungen notwendig. Dmitry Chicherin, Johannes Henn und Emery Sokatchev haben untersucht, wie mithilfe von Symmetrie eine vergleichsweise einfache Vorhersage auch ohne aufwändige Berechnungen erfolgen kann. Symmetrie bedeutet, dass die Eigenschaften der Teilchen unter einer Reihe von Transformationen unverändert bleiben, zum Beispiel unter bestimmten Transformationen der Raumzeit. „Man kann die Lösung einer Gleichung sehr effizient und einfacher finden, wenn man die Symmetrie kennt“, erklärt Sokatchev.
Da Teilchenkollisionen in Beschleunigern bei extrem hohen Energien erfolgen, können die Masse der Teilchen meist vernachlässigt werden. In diesem Fall besteht eine zusätzliche Symmetrie der Raumzeit, die konforme Symmetrie, die für masselose Teilchen zuständig ist. „Wie genau können wir nun diese Symmetrie nutzen, um die Ergebnisse vorherzusagen?“, formuliert Sokatchev die Ausgangsfrage der Untersuchung – mit der die Wissenschaftler Neuland betreten, weil es kaum Arbeiten zu diesem als sehr schwierig geltenden Thema gibt.
„Wir haben ein Problem gewählt, das mit traditionellen Methoden nur schwer zu berechnen ist, und haben dann an einem nicht trivialen Beispiel gezeigt, wie unsere neue Gleichung funktioniert“, so Sokatchev. Das Ergebnis besteht aus zwei Teilen: Zunächst wurde ausgearbeitet, was die konforme Symmetrie über Streuamplituden aussagt und dies in Form einer Gleichung formuliert. Diese Gleichung schränkt die Lösung ein. Im zweiten Schritt haben die Forscher die Gleichung explizit für einen Zwei-
Und stimmt das Ergebnis? Die jetzt vorgelegte analytische Lösung beschreibt, wie der Streuprozess von der Energie der Teilchen und dem Streuwinkel abhängt. Zum einen gab es Vermutungen, welche Struktur die Lösung haben könnte. Das habe sich bestätigt, so Henn. Außerdem können numerische Lösungen zur Überprüfung verwendet werden. Auch dieser Test wurde bestanden. Für die Zukunft sind damit aber noch nicht alle Fragen beantwortet. „Der jetzige Beitrag ist ein Highlight unserer Forschung auf diesem Gebiet“, sagt Henn. „Aber es gibt noch einige Rätsel, zum Beispiel wie die allgemeine Lösung dieser Differenzialgleichungen lautet.“ Ein Thema, das künftig mit Experten aus der Mathematik erörtert werden soll.
JGU / RK