Vorlesung 2.0 – Mittel oder Inhalt?
Der Deutsche Hochschulverband nimmt Stellung zu Chancen und Grenzen von Online-Kursen.
Alles wird digital: Kommunikation, Konsum, Musik, Zeitungen, Partnersuche etc. Der neueste Trend sind Massive Open Online Courses (MOOCs), Hochschulkurse, die über das Web verfügbar sind. Hat also die klassische Vorlesung im Hörsaal bald ausgedient und wandert die Hochschullehre am Ende ganz ins Web?
Das ist wohl nicht zu befürchten, schon deshalb nicht, weil noch gar nicht klar definiert ist, was ein MOOC leisten soll und kann. Aber das zunächst von amerikanischen Elite-Universitäten wie Havard und Stanford vorangetriebene Anbieten von Online-Kursen beeinflusst auch die Hochschullandschaft in Deutschland.
Mittlerweile hat sich auch in Deutschland mit iversity eine kommerzielle MOOC-Plattform etabliert. Im Mai 2013 hatte der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit iversity zehn MOOCs aus rund 200 Vorschlägen ausgewählt und mit jeweils 25.000 Euro gefördert. Die im Bereich Physik vorgestellten Kursideen gingen dabei leer aus.
Im Zuge dieser Entwicklungen ruft der Deutsche Hochschulverband (DHV) dazu auf, behutsam und realistisch die Chancen und Risiken abzuwägen, die durch die voranschreitende Digitalisierung auf die Hochschullehre zukommen. Zwar könnten MOOCs zukünftig ein wichtiger Teil universitärer Lehre sein, gleichzeitig seien traditionelle und digitale Lehre kein Gegensatz, sondern können und sollen sich gegenseitig ergänzen und bereichern.
Digitale Lehrformate, so der DHV, müssten zuerst dem Erhalt und der Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre dienen. Wirtschaftliche Interessen, die mit der Etablierung von Online-Plattformen verbunden seien, müssten demgegenüber nachrangig bleiben. „Lehrformate sind stets als Mittel und nicht als Inhalt universitärer Bildung zu verstehen", betonte der wiedergewählte DHV-Präsident, Bernhard Kempen.
Digitale Lehre kann die menschliche Begegnung zwischen Lehrendem und Studierendem sowie der Studierenden untereinander nicht ersetzen, da sich Erkenntnis vor allem im unmittelbaren Dialog von Lehrenden und Lernenden gewinnen lassen, heißt es in der Erklärung. MOOCs könnten sich dagegen besonders dazu eignen, Faktenwissen zu vermitteln.
Auch wenn es bereits zahlreiche Angebote für universitäre Online-Kurse gibt, sind wohl noch viele grundsätzliche Fragen zu klären, etwa die nach einer zielgruppenspezifischen didaktischen Gestaltung und der Veränderung des Berufsbilds des Hochschullehrers, die mit einer voranschreitenden Digitalisierung verbunden ist. So gelte es, die Rechte des Hochschullehrers als Urheber digitaler Lehrformate zu schützen.
Dass digitale Lehre eine Möglichkeit sei, Geld zu sparen, ist aus Sicht des DHV nicht zu erwarten. Stattdessen benötigen die Hochschulen dafür zusätzliche Mittel für Anschaffung, Pflege und Weiterentwicklung moderner Kommunikationstechnologien. „Gute digitale Lehre setzt didaktische Aufbereitung und Interaktivität voraus. Das ist personal-, zeit- und kostenintensiv. Zum Nulltarif wird es qualitativ hochwertige digitale Lehre nicht geben“, betont Kempen.
DHV / Alexander Pawlak