Wackelnde Riesensterne
Zeitliche Änderung der Konvektionsmuster bei roten Überriesen analysiert.
Aufgrund der blubbernden Oberfläche massereicher Riesensterne scheinen ihre Positionen am Himmel zu wackeln. Ein internationales Team, unter Leitung von Astrophysikern des Exzellenzclusters ORIGINS, hat nun die Gasbewegungen in den atmosphärischen Schichten dieser Sterne detailliert simuliert und ihre Ergebnisse mit hochwertigen Daten des Perseus-Sternhaufens verglichen. Sie stellen fest, dass die Oberflächenstrukturen tatsächlich einen großen Teil der Messunsicherheit in den Beobachtungen erklären könnten.
Zumindest ein blubbernder Stern ist uns sehr gut bekannt: Bereits im 19. Jahrhundert beobachteten Astronomen kleine Muster auf der Oberfläche der Sonne (konvektive Zellen), die sich wie kochendes Wasser in einem Topf verhalten. In den äußeren Schichten der Sonne erhitzt sich das Gas und steigt zur Oberfläche auf, wo es sich abkühlt und wieder absinkt. Ein ähnlicher Prozess findet auch in massereichen Sternen statt, zum Beispiel in roten Überriesen, die sich bereits in einer späteren Phase der Sternentwicklung befinden. Diese Sterne sind mindestens achtmal so massereich wie die Sonne, viel kühler (etwa 3500 Kelvin) und riesig (sie haben mindestens den 700-fachen Durchmesser der Sonne). Wäre unsere Sonne ein roter Überriese, würde ihre Oberfläche die Umlaufbahn des Mars einschließen.
Rote Überriesen haben sich so stark ausgedehnt, dass ihre Oberflächengravitation extrem niedrig ist: Sie kann mehr als 70.000 Mal kleiner sein als die der Sonne (also ähnlich wie auf dem Mond). Aufgrund dieser geringen Schwerkraft sind die konvektiven Zellen extrem ausgedehnt und können bis zu dreißig Prozent des Sternradius einnehmen. Außerdem befördert die Konvektion Gas aus dem Sterninneren an dessen Oberfläche, was den Ausstoß von Materie in die zirkumstellare Umgebung begünstigt. Ein roter Überriese kann eine kolossale Gasmenge freisetzen, milliardenfach größer als bei der Sonne. Sie sind die hellsten Sterne im Universum im infraroten Spektralbereich, und die Untersuchung ihrer physikalischen Eigenschaften ist sehr wichtig, um die späten Phasen der Entwicklung massereicher Sterne besser zu verstehen.
Eine große Unsicherheit bei der Beobachtung roter Überriesen besteht jedoch darin, dass die Position des Photozentrums – also des Zentrums ihrer Lichtemission – nicht mit dem Baryzentrum des Sterns übereinstimmt und sich zudem aufgrund der zeitlichen Änderung des Konvektionsmusters ständig verschiebt. Um diese Bewegungen zu quantifizieren, ist ein theoretischer Ansatz erforderlich, der auf dreidimensionalen, hydrodynamischen Simulationen der Gasbewegung in den atmosphärischen Schichten von Sternen in Verbindung mit Strahlung beruht. Diese Modelle simulieren die gesamte Hülle des Sterns im Laufe der Zeit.
„Die synthetischen Karten zeigen extrem unregelmäßige Oberflächen, auf denen sich die größten Strukturen auf Zeitskalen von Monaten oder sogar Jahren entwickeln, während sich kleinere Strukturen im Laufe von mehreren Wochen ändern“, führt der Leiter der Studie Andrea Chiavassa vom Laboratoire Lagrange, dem Exzellenzcluster Origings und dem Max-Planck-Institut für Astrophysik aus. „Das bedeutet, dass sich die Position des Sterns in Abhängigkeit von der Zeit verändern sollte.“
Das Team berechnete die Verschiebung des Photozentrums in den Simulationen und verglich sie mit der Messunsicherheit von Sternen in χ Perseus, einem nahegelegenen, jungen Sternhaufen, die in Phase 3 der Gaia-Mission beobachtet wurden. Gaia ist eine astrometrische, photometrische und spektroskopische Mission im All, die einen großen Teil der Milchstraße vermisst. Der Perseus-Sternhaufen ist gut erforscht und enthält eine relativ große Population roter Überriesen sowie andere Sterne. „Wir haben festgestellt, dass die Positionsunsicherheiten bei roten Überriesen viel größer sind als bei anderen Sternen. Dies bestätigt, dass sich ihre Oberflächenstrukturen mit der Zeit drastisch verändern, so wie es unsere Berechnungen vorhersagen“, erklärt Rolf Kudritzki von der Universitätssternwarte München und dem Institute for Astronomy, Hawaii, leitender Wissenschaftler bei Origins und Mitautor der Studie.
Rote Überriesen tragen wesentlich zur chemischen Anreicherung von Galaxien bei. Um die Sternentwicklung im nahen und fernen Universum und ihre Auswirkungen auf die kosmische Umwelt zu verstehen, ist eine detaillierte Kenntnis der Windphysik während des Lebenszyklus dieser Sterne erforderlich. Dazu ist es erforderlich, die gesamte ausgestoßene Masse sowie deren Art, die Geschwindigkeit der Winde und die Gesamtgeometrie der zirkumstellaren Hülle zu ermitteln.
„Das tanzende Muster roter Riesensterne am Himmel könnte uns mehr über ihre kochenden Hüllen verraten“, erklärt Selma de Mink, Mitautorin und Direktorin am Max-Planck-Institut für Astrophysik. „Mit unserem Ansatz und in Kombination mit den Gaia-Daten werden wir in der Lage sein, wichtige Informationen über die stellare Dynamik zu extrahieren und die physikalischen Prozesse besser zu verstehen, die die starke Konvektion in diesen Sternen verursachen.“
Exzellenzcluster Origins / DE