Wärme aus dem Tunnel
In Basel wird die nachhaltige Nutzung von erwärmten Grundwasser zum Heizen geprüft.
In Basel ist die Temperatur des Grundwassers in den letzten Jahren stark angestiegen. Tunnelprojekte wie das Basler Herzstück könnten in Zukunft dabei helfen, diese überschüssige Wärme nachhaltig zu nutzen. Normalerweise entspricht die Temperatur des Grundwassers der Jahresmitteltemperatur der Luft, die in Basel etwa zehn Grad beträgt. Doch die tatsächlich gemessenen Werte sind wesentlich höher – an manchen Stellen wie etwa dem Klybeck-Areal, kletterte die Temperatur des Grundwassers in den letzten Jahren auf über 18 Grad.
„Eine solche Erwärmung des Grundwassers lässt sich in vielen Städten auf der ganzen Welt beobachten“, sagt der Hydrogeologe Jannis Epting vom Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel. „Dies lässt sich vor allem auf Untergrundstrukturen zurückführen.“ Also auf die Abwärme von Kellern, Parkhäusern und Laborgebäuden, die in Basel viele Stockwerke in die Tiefe reichen und oft schlecht isoliert sind. Damit diese Abwärme nicht im Untergrund verloren geht, führen Epting und sein Team derzeit eine Machbarkeitsstudie im Auftrag des Bundesamts für Energie durch. Diese soll klären, ob es möglich ist, dem Grundwasser mithilfe von unterirdischen Verkehrswegen Wärme zu entziehen. „Die so zurückgewonnene Energie könnte dann zum Heizen verwendet werden und außerdem würde dabei auch das Grundwasser wieder abkühlen“, so Epting.
Grundsätzlich gibt es dafür zwei mögliche Verfahren: Bei Tunneln mit geringem Durchmesser, etwa für S-Bahnen, können vorgefertigte Wärmeabsorber in die Verschalung eingebaut werden. Diese entziehen dem Grundwasser passiv Wärme, welche zu einem Wärmetauscher geleitet wird. So lässt sich auch die Abwärme zurückgewinnen, welche Züge im Inneren des Tunnels erzeugen. In ihrer Studie prüfen die Basler Forscher, welche Streckenabschnitte des geplanten Basler Herzstücks – die unterirdische S-Bahn-Verbindung zwischen dem Bahnhof SBB und dem Badischem Bahnhof sowie dem Bahnhof St. Johann – dafür geeignet sind.
Für größere Straßenbauwerke wie dem Rheintunnel, der eines Tages den Rhein zwischen Birsfelden und dem Schwarzwaldtunnel unterqueren soll, wollen die Wissenschaftler Dükersysteme nutzen – Rohrleitungen, die das Grundwasser sammeln und um den Tunnel herumleiten. Die Wärme des in den Dükern zirkulierenden Grundwassers könnte aktiv durch eine Wärmepumpe entzogen werden. Das abgekühlte Grundwasser würde danach wieder in den Untergrund geleitet. Das funktioniert allerdings nur an Stellen, wo der Grundwasserstrom quer zum Tunnel verläuft. Um die Machbarkeit dieser Projekte zu testen, hat die Forschungsgruppe in den letzten Jahren ein umfassendes 3D Modell des Grundwassers unter dem Großraum Basel erstellt: Hierfür werteten sie unter anderem Daten aus über hundert Grundwasser-Messstellen im Stadtgebiet aus.
Solche Modelle erlauben es, die Grundwasserströmung, das Durchflussvolumen und den Wärmetransport zu simulieren, wobei auch die Beschaffenheit des Untergrunds berücksichtigt wird. Besonders hilfreich waren dabei sieben tiefendifferenzierte Messsysteme, welche vor einigen Jahren installiert wurden. Diese Sensoren stehen in direktem Kontakt mit dem Untergrund und messen die Grundwassertemperatur in verschiedenen Tiefen im Abstand von einem halben bis zu einem Meter. „Dies gibt uns eine einmalige Datengrundlage für die Untersuchung verschiedener Wärmetranportprozesse, denn solche Messstellen hat unseres Wissens sonst weltweit niemand im urbanen Gebiet“, so Epting.
Das Modell zeigt, dass sich beide Bauvorhaben grundsätzlich für die Wärmegewinnung eignen: Für das Herzstück wären die besten Abschnitte im Bereich der Tunneleingänge am Bahnhof St. Johann und am Badischen Bahnhof, denn dort führt die geplante Trasse durch die Lockergesteine quer zum Grundwasserstrom. Für den Autobahntunnel gibt es gute Voraussetzungen bei der Tunneleinfahrt in Birsfelden und auf Höhe des Schwarzwaldtunnels, auch hier fliesst das Wasser quer zum Tunnel. Nach ersten Schätzungen ließen sich durch die Grundwasserwärmenutzung entlang einzelner Streckenabschnitte pro Heizperiode zwischen einer und zehn Gigawattstunden an Wärme gewinnen, was etwa der Leistung von bis zu drei grossen Windturbinen entspricht. „Natürlich ist diese Effizienz im Vergleich zu anderen Methoden nicht sehr groß, aber dafür ist es nachhaltig“, findet Epting. „Wir müssen schließlich jetzt schon für die Zukunft planen.“
U. Basel / JOL