Wandel von Eiskristallen
Übergang von Eisphasen in einer Diamantpresszelle live beobachtet.
Eiswürfel im Kühlschrank oder Eiszapfen an der Dachrinne sind vertraute Alltagsbeispiele für gefrorenes Wasser. Physikalisch gesehen, handelt es sich dabei um eine von insgesamt 17 bekannten Arten von Eis. Diese unterscheiden sich durch ihre Kristallstrukturen und Entstehungsbedingungen und werden als Eisphasen bezeichnet. Forschern am Bayerischen Geoinstitut BGI der Universität Bayreuth ist es jetzt im Labor gelungen, einen vor mehr als vier Jahrzehnten vorhergesagten, doch bisher nie bewiesenen Übergang zwischen zwei Eisphasen zu erzeugen und zeitgleich zu beobachten.
Abb.: In dieser Diamantstempelzelle konnte der Übergang zwischen Eisphasen live verfolgt werden. (Bild: BGI / NPG)
Das Bayreuther Forscherteam um Thomas Meier hat eine winzige Wasserprobe in eine Diamantstempelzelle eingesetzt und hier einem Kompressionsdruck von bis zu einhundert Gigapascal ausgesetzt. Zunächst bildete sich die Eisphase VII, daraus entwickelte sich durch den weiter ansteigenden Druck die Eisphase X. Diesen Phasenübergang konnten die Wissenschaftler live beobachten, weil Magnetfelder in den Diamantstempelzellen eine zeitgleiche NMR-spektroskopische Untersuchung der Proben ermöglichten.
Wie die Bayreuther Forscher herausfanden, spielen die Wasserstoffbrücken zwischen benachbarten Molekülen eine entscheidende Rolle beim Strukturwandel von Eisphase VII zu Eisphase X. Der hohe Kompressionsdruck bewirkt, dass Wasserstoffatome in das unter Normalbedingungen unzugängliche Zentrum der Wasserstoffbrücken gepresst werden. Die neuen Erkenntnisse sind ein Beispiel für das ungewöhnliche Potenzial der Kombination von Hochdruckforschung und NMR-Spektroskopie. Dadurch lassen sich theoretische Berechnungen von Materialstrukturen und ihrer Dynamik erstmals empirisch überprüfen und verifizieren.
Die so gewonnenen Erkenntnisse können wegweisend für technologische Innovationen sein. Dies gilt auch für die Erforschung der Eisphasen. „Bislang galten theoretische Berechnungen und Modellierungen der Kristallstrukturen, durch die sich die diversen Eisphasen unterscheiden, als ein eher exotisches Gebiet der Physik. Doch wenn es jetzt dank unserer neuen Forschungstechnologie gelingt, diese Strukturen besser zu verstehen und sie mit hoher Präzision im Labor zu erzeugen, wird die Entwicklung von Quantencomputern möglicherweise einige entscheidende Schritte vorankommen“, erklärt Thomas Meier.
BGI / JOL