25.02.2008

Wann bewegt sich ein Atom?

Wissenschaftler aus San Jose, Kalifornien, und Regensburg messen erstmals die Kraft, die notwendig ist, um einzelne Atome zu bewegen.

Wann bewegt sich ein Atom?

Wissenschaftler aus San Jose, Kalifornien, und Regensburg messen erstmals die Kraft, die notwendig ist, um einzelne Atome zu bewegen.

San Jose, Kalifornien; Regensburg – Wissenschaftlern von IBM und von der Universität Regensburg ist es erstmals gelungen, die winzigen Kräfte zu messen, die bei der Konstruktion der kleinstmöglichen künstlichen Strukturen aus einzelnen Atomen wirken. Diese fundamentalen Messungen sind wichtig für die Identifizierung der geeigneten chemischen Elemente künftiger Schaltelemente mit atomaren Dimensionen: Computerchips, Speicherelemente und andere.

Vor etwa zwanzig Jahren hat Don Eigler, IBM Fellow am Almaden Research Center in San Jose, in einem kleinen Labor, voll gestopft mit technischen Geräten, auf den Hügeln über dem Silicon Valley einen gewaltigen Durchbruch erzielt – die gezielte Anordnung von Atomen, die die kleinsten stabilen Materieteilchen darstellen. Don Eigler und sein Mitarbeiter Erhard Schweizer schrieben I-B-M mit Buchstaben aus einzelnen Atomen des Edelgases Xenon.

Nun konnten Mitarbeiter des gleichen Labors in Kooperation mit der Universität Regensburg die winzigen Kräfte messen, die beim Verschieben der einzelnen Atome wirken. Die Ergebnisse der Studie sind in dem Fachmagazin Science publiziert worden.

Das Verständnis der Kräfte, die beim Anordnen einzelner Atome auf Oberflächen wirken, ist grundlegend für die Planung und den Bau jeglicher Konstrukte atomarer Dimensionen. Zum Beispiel braucht man für den Bau eines Motors auf der Nanoskala lose gebundene Atome für bewegliche Teile wie Zahnräder, Hebel und Schalter. Für ein stabiles Gehäuse dagegen wäre es wichtig, Atome zu finden, die fester an der Oberfläche haften und nicht so leicht verschoben werden können.

Das Problem ähnelt den Hürden, die Wissenschaftler und Ingenieure bei der Konstruktion und beim Bau makroskopischer Gebilde überwinden mussten. Es wäre unmöglich, eine moderne Brücke zu bauen ohne eine genaue Kenntnis der Stärke der verwendeten Baustoffe, der wirkenden Kräfte und der gegenseitigen Wechselwirkungen.

„Dieses Resultat zeigt den Weg zu neuen Datenspeicherelementen und wird auch das Verständnis biologischer Strukturen und molekularer Wechselwirkungen verbessern“, sagt Gian-Luca Bona, Senior Manager des Bereichs Science & Technology am IBM Almaden Research Center.

In ihrer Veröffentlichung zeigen die Wissenschaftler, dass eine Kraft von 210 Piconewton nötig ist, um ein Kobaltatom über eine glatte Platinoberfläche zu bewegen, während sich ein Kobaltatom auf einer Kupferoberfläche schon mit einer Kraft von 17 Piconewton bewegen lässt. Zum Vergleich: Um einen Euro-Cent mit einer Masse von etwa 3 Gramm auf einer Oberfläche zu bewegen, muss eine Kraft von etwa 30 Milliarden Piconewton aufgewendet werden.

Dieses Wissen gewährt ein tieferes Verständnis der Prozesse, die die Grundlage der Nanotechnologie bilden und unterstützt den industriellen Fortschritt auf Gebieten wie der Medizin und der Informationstechnik auf der Nanoskala.

Der wohlbekannte Trend in der Computertechnik – die exponentiell steigende Zahl von Transistoren die auf einer integrierten Schaltung Platz finden – ist allgemein als Moore'sches Gesetz bekannt. Die Verkleinerung der Transistoren verringert den Energieverbrauch und die Kosten bei gleichzeitiger Erhöhung von Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit. Die Entwicklung neuer Methoden zur Herstellung kleinster Schaltkreise ist die dringlichste Herausforderung der Computerindustrie.

Wenn man diese Schaltkreise auf die kleinstmögliche Größe bringen könnte – nur einige Atome – könnte man völlig neue Entwürfe und Herstellverfahren ermöglichen. Genau dort füllt die Kenntnis der Kräfte, die bei der atomaren Manipulation wirken, eine bedeutende Wissenslücke: das Verstehen und Steuern des Baus von Nanostrukturen – Atom für Atom.

Vor einem halben Jahrhundert fragte der Nobelpreisträger Richard Feynman in seinem denkwürdigen Vortrag „There is plenty of room at the bottom“, welche Möglichkeiten sich eröffnen würden, wenn man einzelne Atome nach Belieben anordnen könnte. Dieser Traum ist heute Realität, und heute wird atomare Manipulation auf breiter Front in der Wissenschaft angewendet um atomare Strukturen zu bauen, zu verändern und zu vermessen. Die fundamentale Frage: „Welche Kraft brauchen wir, um ein Atom zu verschieben“ blieb dagegen bis heute der experimentellen Erforschung verschlossen.

In ihrer Veröffentlichung beschreiben die Wissenschaftler den Einsatz eines empfindlichen Rasterkraftmikroskops, um sowohl die Stärke als auch die Richtung der Kraft zu messen, die eine scharfe Spitze beim Verschieben eines Atoms darauf ausübt. Das Team fand heraus, dass die Kraft stark von der chemischen Identität des Atoms und der Unterlage abhängt. Für ein kleines Molekül ergibt sich eine ganz andere Kraft als für ein Metallatom.

Das Kraftmikroskop wurde vor mehr als 20 Jahren von Nobelpreisträger und IBM Fellow Gerd Binnig, IBM Mitarbeiter Christoph Gerber und Stanford-Professor Calvin Quate eingeführt und wurde bereits zur Messung atomarer Kräfte eingesetzt, aber noch nie mit einer derart hohen Präzision. „Es ist erstaunlich, dass die winzigen Kräfte die beim Verschieben der Atome wirken mit einem Kraftsensor gemessen werden können, der im Wesentlichen auf der Quarzstimmgabel beruht, die in jeder handelsüblichen Quarzuhr schwingt“, sagt Franz Gießibl von der Universität Regensburg, der Erfinder des Stimmgabel-Kraftsensors.

Quelle: Universität Regensburg

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