05.10.2018

Warum Beton quillt und reißt

Alkali-Aggregat-Reaktion im Visier eines inter­diszi­pli­nären Forschungs­projekts.

Auch an Betonbauten nagt der Zahn der Zeit. Betroffen sind nicht nur stahl­be­wehrte Kon­struk­tionen wie Brücken, sondern auch Beton­bauten ohne Beweh­rung, wie Stau­mauern. Einer der Gründe dafür ist die Alkali-Aggregat-Reaktion, kurz AAR. Sie kann alle Beton­bauten unter freiem Himmel betreffen. Bei der AAR sind die Zutaten des Betons selbst das Problem: Zement enthält Alkali­metalle wie Natrium und Kalium. Die Feuch­tig­keit im Beton wird da­durch zu einer Lauge. Die Haupt­bestand­teile von Beton sind Sand und Kies. Diese wiede­rum bestehen unter anderem aus Sili­katen, beispiels­weise Quarz oder Feld­spat. Mit diesen Sili­katen reagiert nun das alka­lische Wasser und führt zur Bildung von Alkali-Kalzium-Silikat-Hydrat. Dieses Mineral lagert mehr und mehr Wasser­mole­küle in seiner Struktur ein, dehnt sich dadurch aus und sprengt mit der Zeit den Beton von innen.

Abb.: Schäden in drei Dimen­sionen: Die durch AAR verur­sachten Risse im Beton ent­stehen in winzigen Kristall­spalten (Mitte) und werden als­bald mit bloßem Auge sicht­bar (links). Ver­ant­wort­lich für das Bersten des Betons ist ein Alkali-Kalzium-Silikat-Hydrat, dessen Struktur 2015 mit Hilfe der EMPA erst­mals auf­ge­klärt werden konnte (rechts; Bild: EMPA).

Bemerkenswert dabei: In zahlreichen Kieskörnern, die im Beton stecken, läuft die gleiche Reaktion ab – die Stein­chen werden einzeln gesprengt. Der Druck, der durch diese Mikro­reak­tion auf ein ganzes Bau­werk aus­ge­übt werden kann, ist gewaltig: Eine Stau­mauer etwa kann sich um einige Dezi­meter aus­dehnen. Das kann zu Schäden an den seit­lichen Anschluss­punkten zum Fels oder zu Ver­for­mungen im Bereich von Schleusen führen. Die Reaktion ver­läuft lang­sam, so dass bei betrof­fenen Bau­werken erst nach zehn bis fünf­zehn Jahren erste Schäden bemerk­bar werden. Das konti­nuier­liche Quellen des Betons kann aller­dings die Lebens­dauer von Bau­werken stark ver­kürzen.

Einem Team von Wissenschaftlern der Eidgenössischen Material­prüfungs- und Forschungs­anstalt EMPA und des Paul-Scherrer-Instituts PSI gelang es 2015, die Struktur des wasser­haltigen Kristalls, der das Quellen im Beton aus­löst, erst­mals zu iden­ti­fi­zieren. Zuvor war die Struktur Gegen­stand vieler Speku­la­tionen gewesen. Die Ent­deckung war der Aus­löser für ein inter­diszi­pli­näres Forschungs­projekt, an dem neben der EMPA und dem PSI zwei Insti­tute der École Poly­tech­nique Fédérale de Lausanne beteiligt sind. „Wir wollen die AAR in allen Dimen­sionen unter­suchen und ver­stehen“, sagt Andreas Lee­mann von der EMPA, der die Forschungs­akti­vi­täten koordi­niert, „von der Atom-Ebene und der Längen­skala im Angström-Bereich bis hin zu den Aus­wir­kungen auf ganze Bau­werke in der Zenti­meter- und Meter­skala."

Zu diesem Zweck wurden sechs Teilprojekte definiert: Das PSI unter­sucht mit Hilfe von Synchro­tron­strah­lung die Struktur der Reak­tions­pro­dukte, um ihr Quellen erklären zu können. An der EPFL werden die maß­geben­den Rahmen­bedin­gungen für das Auf­lösen der Sili­kate und die Zusammen­setzung der anfäng­lich gebil­deten Reaktions­produkte unter­sucht. Zudem werden dort mit Computer­simu­la­tionen die Aus­wir­kungen des Quellens auf Bau­werke erforscht. Und an der EMPA wird einer­seits die Ent­ste­hung der Risse im Beton räum­lich und zeit­auf­ge­löst mit Computer-Tomo­graphie erfasst, anderer­seits werden die wasser­haltigen Kristalle im Labor synthe­ti­siert. So können die Forscher größere Mengen des Stoffs erhalten, der gewöhn­lich in nano- bis mikro­meter­kleinen Rissen der Kies­körner steckt. Nur mit größeren Mengen der Substanz lassen sich ihre physi­ka­lischen Eigen­schaften genau bestimmen. Die so gewon­nenen Erkennt­nisse sollen nicht nur dazu dienen, die AAR besser zu ver­stehen, sondern auch Wege auf­zeigen, wie sich Schäden – und dadurch Kosten – ver­meiden lassen.

„Wir sind bereits mittendrin, das bislang nur in Teilen bekannte Phänomen zu ent­schlüsseln“, so Lee­mann. Im Mai 2017 startete das vier­jährige Forschungs­projekt. Erste Ergeb­nisse liegen bereits vor. Im nächsten Schritt geht es nun darum, die ein­zelnen Arbeits­gruppen stärker zu ver­netzen und auf den Ergeb­nissen der Partner­gruppen auf­zu­bauen. So soll am Ende ein voll­stän­diges Bild der AAR ent­stehen, das es erlaubt, den Zustand und die Gefähr­dung von Beton-Bau­werken besser abzu­schätzen und das Schick­sal der ange­grif­fenen Bauten wissen­schaft­lich fundiert zu begleiten.

EMPA / RK

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