Warum wir (wahrscheinlich) Weltmeister werden
Der Dortmunder Physikprofessor Metin Tolan hat berechnet, dass Deutschland in diesem Jahr bei der Fußball-WM nicht zu schlagen ist.
Warum wir (wahrscheinlich) Weltmeister werden
Der Dortmunder Physikprofessor Metin Tolan hat berechnet, dass Deutschland in diesem Jahr bei der Fußball-WM nicht zu schlagen ist.
Er wird an diesem Abend wie so viele andere wieder vor dem Fernseher sitzen und der deutschen Mannschaft die Daumen drücken. Doch eigentlich ist er sich sicher, dass Deutschland im heutigen Halbfinale der Fußball-WM 2010 gegen Spanien (7. Juli 2010, Anstoß 20.30 Uhr in Durban, Südafrika) nicht verlieren wird. Denn Metin Tolan hat sich physikalisch mit dem runden Leder befasst. Und die Physik sieht Deutschland in diesem Jahr als Weltmeister.
Doch der Reihe nach. Bevor Mertesacker, Schweinsteiger und Co. den Pokal in die Höhe recken dürfen, gilt es, mathematische und physikalische Regeln zu betrachten, die bei der „schönsten Nebensache der Welt“ eine zentrale Rolle spielen. Tolan beschäftigt sich eigentlich in seiner Arbeit mit der Erforschung des Verhaltens von Grenzflächen so genannter „weicher Materie“, wie zum Beispiel von Polymeren, Flüssigkeiten oder Biomaterialien. Doch das DPG-Vorstandsmitglied für Öffentlichkeitsarbeit hat seine beiden Leidenschaften kombiniert, um die Physik des Fußballspiels zu untersuchen.
Und Grenzsituationen können auch in einem wichtigen Fußballspiel entscheidend sein: ein Kopfballtor, das aus einer Standardsituation resultiert, zum Beispiel, oder eine Rote Karte. Diese und viele weitere Situationen betrachtet der fußballbegeisterte Forscher in seinem Buch „So werden wir Weltmeister – Die Physik des Fußballspiels“ – und findet dabei überraschende Ergebnisse.
Die Legende von „Air“ Riedle
Die Kopfballstärke von Miroslav Klose ist viel gerühmt und hat der deutschen Mannschaft schon manchen Sieg beschert. Dabei kommt es beim Zuschauer häufig zu dem Eindruck, dass der Stürmer quasi „in der Luft zu stehen“ scheint. Besonders bekannt dafür war der Dortmunder Karl-Heinz „Air“ Riedle. Dieses Phänomen lässt sich aber leicht mit den Fallgesetzen beschreiben. Denn da die Sprungdauer quadratisch in die Formel für die Höhe des Spielers in der Luft eingeht, erreicht der Spieler bereits nach 29 % der Sprungdauer die Hälfte der maximalen Sprunghöhe. Die zweite Hälfte des Aufstiegs bis zum Hochpunkt dauert also 71 % der Gesamtzeit und damit fast zweieinhalb mal so lange wie die erste Hälfte. Diese Nichtlinearität zwischen Sprunghöhe und -dauer sorgt für den Eindruck, dass ein Spieler „in der Luft steht“.
Rote Karte? − es gibt Schlimmeres
Und eine Rote Karte dezimiert zwar die Zahl der Feldspieler um 10 %, die dadurch notwendige Laufgeschwindigkeit der verbliebenen Spieler steigt aber nur um die Hälfte, also 5 %. Das zeigt Tolan durch eine Korrelation der pro Spieler abzudeckenden Fläche des Feldes, der von ihm dafür benötigten Zeit, der Gesamtspielfläche und der Geschwindigkeit des Spielers. Die Spieler werden dazu in erster Näherung alle als gleich stark betrachtet. Eine grobe Vereinfachung, die aber den Effekt der Unterzahl ausreichend wiedergibt.
Die Siegerformel
Aber eigentlich „ist Fußball ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen". Das wusste schon Gary Lineker, ehemaliger englischer Nationalspieler und WM-Torschützenkönig von 1986 (Sechs Treffer). Und zumindest für diese WM kann Metin Tolan das sogar berechnen! Die Erfolgsformel des Deutschen Teams lautet:
P(n) = (P* + ½) + (P* - ½) x cos(2 π/ N x n)
Dabei gibt P(n) die Platzierung bei der n-ten WM, P* die mittlere Platzierung der Deutschen bei allen vergangenen Weltmeisterschaften (3,7) und N = 4,5 die Periode besonders starker deutscher Teams an. Denn etwa alle vier bis fünf Turniere hat Deutschland eine sehr starke Mannschaft, die es weit bringt. Darin begründet sich die Benutzung einer periodischen Funktion wie der Kosinus-Funktion.
Abb.: Nach der WM-Formel hätte Deutschland 2006 Weltmeister werden müssen. Im Vergleich zu den tatsächlichen Platzierungen sieht man aber eine Phasenverschiebung des Kosinus um genau eine WM. Also muss Deutschland es dieses Jahr schaffen! (Bild: Philipp Hummel)
Deutschland konnte zweimal nicht bei einer WM teilnehmen, 1930 in Uruguay und 1950 in Brasilien. Die insgesamt 19. Fußball-WM in Südafrika ist also für das DFB-Team die 17. an der sie teilnimmt. Die obige Formel hat genau dreimal den deutschen WM-Titelgewinn vorausgesagt − zuletzt bei der 16. WM im Jahr 2006! Dieser Fehler lässt Zweifel an der Richtigkeit der WM-Formel aufkommen, denn eigentlich hätte das Team von Jürgen Klinsmann den Titel gewinnen müssen. Vergleicht man aber die Vorhersage der Formel mit dem tatsächlichen Abschneiden des Teams, sieht man, dass eine Phasenverschiebung auftritt, die den Titel immer eine WM zu früh prognostiziert. Laut Tolan lässt das nur einen Schluss zu: Deutschland wird Weltmeister 2010!
Philipp Hummel