18.06.2010

Was Monsterwellen 'stabil' macht

Ein neues statistisches Modell erklärt, wie sich das Wasser-Welle-System aufbaut.


Ein neues statistisches Modell erklärt, wie sich das Wasser-Welle-System aufbaut.

Die gefürchtete Monsterwelle, die auf offenem Meer aus dem Nichts auftreten kann, lässt sich theoretisch berechnen und modellieren: Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Umeå, Schweden, haben in Computersimulationen ein neues statistisches Modell für nicht-lineare, miteinander interagierende Wellen entwickelt. Es erklärt, wie sie sich das Wasser-Welle-System aufbaut, verhält und vor allem wie es sich selbst stabilisiert. Das Modell eignet sich auch zur Berechnung anderer „Extremereignisse“ – zum Beispiel an der Börse – oder komplexer Phänomene in der Plasmaphysik.

Bereits vor vier Jahren konnten der Bochumer Physiker Padma Kant Shukla und sein schwedischer Kollege Bengt Eliasson erstmals am Computer simulieren, wie die Monsterwelle (engl. giant freak wave) entsteht. Treffen zwei oder mehr Wellen in einem bestimmten, relativ kleinen Winkel aufeinander, können sie sich gegenseitig „aufschaukeln“. Zwei nicht-lineare, miteinander wechselwirkende Wellen verhalten sich demnach ganz anders als eine einzelne Welle, die normale Instabilitäten zeigt und sich in mehrere kleine Wellen auflöst, die dann schräg zueinander verlaufen. Aus zwei nicht-linearen Wellen resultiert indes ein neues Verhalten des Wassers, zum Beispiel die Entstehung regelrechter „Wellenpakete“ mit dreimal höheren Amplituden als bei einer einzelnen Welle. Begünstigt durch starke Strömung und – entgegengesetztem – starkem Wind kann sich daraus die gigantische Welle kontinuierlich aufbauen.

Mit ihrem neuen statistischen Modell gelingt den Wissenschaftlern nun ein weiterer entscheidender Schritt zur Erforschung dieser Monsterwelle: Sie resultiert aus kombinierten nicht-linearen Effekten in der Welle-zu-Welle-Interaktion und in der Ausbreitung der „Wellenpakete“ in eine bestimmte Richtung. Das führt dazu, dass die Energie des Wassers „schmalbandig in einem engen Wellenlängenbereich“ und mit plötzlicher, großer Amplitude gebündelt wird. Die eigentliche Instabilität einzelner Wellen ist durch die Verbreiterung des Wellenspektrums „gesättigt“, wodurch sich das Wasser-Welle-System vorübergehend selbst stabilisiert. Dieses Verhalten sei typisch für die örtlich begrenzte Riesenwelle, so die Forscher. Ihre Berechnungen stimmen überein mit Beobachtungen aus Experimenten in großen Wasserbehältern. „Demnach neigen Wellen mit langen Wasserkronen stark dazu, Extremereignisse hervorzurufen“, so Shukla und Eliasson.

Dass die gigantische Welle kein „Seemannsgarn“ ist, weiß man spätestens seit der Begegnung des Kreuzfahrtschiffs Queen Elizabeth 2 im Jahre 1995 mit einer solchen Monsterwelle. Die Schäden an Passagier- und Frachtschiffen, aber zum Beispiel auch an Ölplattformen auf hoher See können beträchtlich sein. Das statistische Modell von Shukla und Eliasson ist ein Beitrag, um in Zukunft Monsterwellen in bestimmten Regionen – etwa im Nordatlantik oder im Mittelmeer – vorhersagen bzw. frühzeitig davor warnen zu können. Das tiefergehende physikalische Verständnis der Riesenwelle und statistische Berechnungsmethoden müssten dazu mit neuen, verbesserten Beobachtungsverfahren kombiniert werden, so die Forscher.

Ruhr-Universität Bochum


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