22.04.2015

Was Schmetterlinge fast unsichtbar macht

Unregelmäßige Nanostrukturen auf dem durchsichtigen Flügel des Glasflüglers verhindern die Reflexion von Licht.

Der Effekt ist vom Handy bekannt: In der Sonne spiegelt das Display, man erkennt fast nichts mehr. Geschickter stellt sich der Glasflügel-Schmetterling an: Trotz durchsichtiger Flügel reflektiert er kaum Licht und ist dadurch im Flug für Fress­feinde beinahe unsichtbar. Wissenschaftler des KIT um Hendrik Hölscher fanden heraus, dass unregelmäßige Nano­strukturen auf der Oberfläche des Schmetter­lings­flügels die geringe Reflexion bewirken. In theoretischen Studien konnten sie den Effekt nachvollziehen, der spannende Anwendungs­möglichkeiten, etwa für Handy- oder Laptop-Displays eröffnet.

Abb.: Die Unregelmäßigkeit in Größe und Verteilung der Nanostrukturen auf der Oberfläche des Schmetterlingsflügels bewirkt die geringe Licht-Reflexion bei allen Blickwinkeln. (Foto: R. H. Siddique, KIT)

Durchsichtige Materialien, wie etwa Glas, reflektieren immer einen Teil des einfallenden Lichtes. Einigen Tieren mit durchsichtigen Oberflächen, etwa der Motte bei ihren Augen, gelingt es, die Reflexionen sehr gering zu halten. Häufig aber nur dann, wenn man senkrecht auf diese Oberflächen blickt. Die Flügel des Glasflügler-Schmetterlings, der hauptsächlich in Mittelamerika verbreitet ist, reflektieren aber auch dann nur schwach, wenn man schräg auf die Flügel blickt. Je nach Blickwinkel sind das nur zwischen zwei und fünf Prozent des einfallenden Lichtes. Zum Vergleich: Eine Glasscheibe wirft, je nach Blickrichtung, zwischen acht und hundert Prozent zurück, also ein Vielfaches des Schmetter­lings­flügels. Dabei reflektiert der Flügel nicht nur das gesamte für den Menschen sichtbare Spektrum schwach, sondern unterdrückt auch – überlebens­wichtig für den Schmetterling – die für Tiere wahrnehmbaren Infrarot- und Ultraviolett-Wellen.

Um diesem bisher unerforschten Phänomen auf den Grund zu gehen, untersuchten die Wissenschaftler den Flügel des Glasflüglers unter dem Rasterelektronenmikroskop. Wie vorherige Studien zeigten, sind bei anderen Tieren regelmäßige säulenförmige Nanostrukturen für die geringen Reflexionen verantwortlich. Auch bei den Schmetterlingsflügeln fanden die Forscher Nanosäulen, allerdings waren diese im Gegensatz zu den bisherigen Funden gänzlich unregelmäßig angeordnet und auch unterschiedlich groß. Die typische Höhe der Säulen variiert zwischen 400 und 600 Nanometern und der Abstand zwischen den Säulen zwischen 100 und 140 Nanometern.

In theoretischen Studien haben die Forscher diese Unregelmäßigkeit der Nanosäulen in Größe und Anordnung mathematisch abgebildet. Wie sie zeigen konnten, entspricht die berechnete reflektierte Lichtmenge für unter­schiedliche Blickwinkel genau der beobachteten Menge. Damit belegten sie, dass eben diese Unregel­mäßigkeit der Nanosäulen die geringe Reflexion bei unter­schied­lichen Betrachtungs­winkeln bewirkt. Für Hölschers Doktoranden Radwanul Hasan Siddique, der den Effekt entdeckte, ist der Glasflügler ein faszinierendes Tier: „Nicht nur optisch mit seinen durch­sichtigen Flügeln, sondern auch wissen­schaftlich, da er sich im Gegensatz zu anderen Natur­phänomenen, bei denen Regel­mäßigkeit oberstes Gebot ist, scheinbares Chaos zunutze macht und damit auch für den Menschen spannende Effekte erzielt.“

Abb.: Im Gegensatz zu anderen durchsichtigen Flächen reflektieren die Flügel des Glasflüglers („Waldgeist“, lat.: Greta Oto) kaum Licht. Brillen­gläser oder Handy­displays könnten von der Erfor­schung des Phäno­mens profitieren. (Bild: R. H. Siddique, KIT) Caption

Die Ergebnisse eröffnen eine ganze Fülle von Anwendungs­möglichkeiten überall dort, wo schwach reflek­tierende Ober­flächen gebraucht werden, etwa bei Brillengläsern oder Handydisplays. Die Infrastruktur am Institut für Mikro­struktur­technik ermöglicht neben der theoretischen Erforschung des Phänomens auch die tatsächliche Umsetzung in die Praxis. Erste Anwendungs­versuche befinden sich momentan in der Konzeptionsphase, Experimente an Prototypen konnten aber bereits jetzt zeigen, dass diese Art der Ober­flächen­beschich­tung auch wasser­abweisend und selbst­reinigend wirkt.

KIT / OD

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