Wasser, gefangen im Sternenstaub
Beobachtungen zeigen: Staubpartikel im All sind mit Eis vermischt.
Das interstellare Medium enthält neben Gas auch jede Menge Staub. Auf den Staubpartikeln finden wichtige chemische Prozesse statt, aus denen komplexe organische – möglicherweise sogar präbiotische – Moleküle hervorgehen. Eine wichtige Voraussetzung für diese Vorgänge ist die Existenz von Wasser. Dieses kommt in besonders kalter kosmischer Umgebung in Form von Wassereis vor. Doch bisher war nicht klar, in welcher Verbindung Eis und Staub in diesen Regionen des Alls stehen. Ein Forscherteam der Uni Jena und des MPI für Astronomie hat jetzt bewiesen, dass die Staubpartikel und das Eis miteinander vermischt sind.
„Bisher wusste man nicht, ob Eis und Staub unverbunden nebeneinander schweben, ob eine Eisschicht die Staubpartikel umhüllt oder ob beide miteinander vermischt sind“, erklärt Alexey Potapov von der Uni Jena. „Wir haben die Spektren von laborproduzierten Silikaten, Wassereis und ihre Mischungen mit astronomischen Spektren von protostellaren Hüllen und protoplanetaren Scheiben verglichen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Spektren nahezu deckungsgleich sind, wenn Silikatstaub und Wassereis in diesen Umgebungen miteinander vermischt sind.“
Aus diesen Informationen ziehen die Astrophysiker wertvolle Informationen. „Wir müssen verschiedene physikalische Bedingungen in verschiedenen astronomischen Umgebungen verstehen, um physikalisch-chemische Prozesse im All besser modellieren zu können“, sagt Potapov. Außerdem könnten sie so beispielsweise die Menge des Materials besser abschätzen und genauere Aussagen zu den Temperaturen in verschiedenen Bereichen der interstellaren und zirkumstellaren Media treffen.
Zudem konnten die Wissenschaftler durch Experimente und Vergleiche beobachten, was mit dem Wasser passiert, wenn die Temperaturen zunehmen und das Eis bei etwa 180 Kelvin in die Gasphase übergeht und den Festkörper, mit dem es verbunden ist, verlässt. „Einige Wassermoleküle sind dabei so stark mit dem Silikat verbunden, dass sie auf der Oberfläche oder im Inneren des Staubpartikels bleiben“, sagt Potapov. „Wir vermuten, dass es dieses gefangene Wasser auch an den Staubpartikeln im All gibt. Das zumindest legt der Vergleich zwischen den aus den Laborversuchen hervorgegangenen Spektren mit denen im diffusen interstellaren Medium des Weltalls nahe. Dabei erhielten wir deutliche Hinweise, dass dort eben jene gefangenen Wassermoleküle existieren.“
Die Existenz von solchem Festkörperwasser legt nahe, dass sich auch andere komplexe Moleküle auf den Staubpartikeln im diffusen interstellaren Medium befinden können. Wenn Wasser auf einem derartigen Teilchen vorhanden ist, dann ist beispielsweise der Weg zu komplexen organischen Molekülen nicht sehr weit. Denn die Staubpartikel bestehen meist unter anderem aus Kohlenstoff, der in Verbindung mit Wasser und unter Einfluss von Ultraviolettstrahlung, wie sie in der Umgebung herrscht, die Methanolbildung begünstigt. Die organische Verbindung habe man bereits in diesen Bereichen des interstellaren Mediums beobachtet, so Potapov – bisher wusste man allerdings nicht, woher sie stammt.
Die Präsenz des Festkörperwassers kann zudem Fragen zu einem anderen Element beantworten: Man kennt zwar die Menge an Sauerstoff im interstellaren Medium, hatte bisher allerdings keine Informationen darüber, wo genau sich etwa ein Drittel davon befindet. Die neuen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Festkörperwasser in Silikaten ein verstecktes Sauerstoff-Reservoir ist.
Außerdem kann das gefangene Wasser dabei helfen, überhaupt zu verstehen, wie der Staub wächst, da es das Zusammenkleben kleinerer Teilchen zu größeren Partikeln begünstigen könnte. Möglicherweise wirkt dieser Effekt sogar bei der Planetenbildung. „Sollte es gelingen nachzuweisen, dass gefangenes Wasser in Bausteinen der Erde existierte oder existieren konnte, dann ergeben sich eventuell sogar neue Antworten auf die Frage, wie Wasser auf die Erde gelangte“, sagt Potapov. Doch das sind bisher nur Vermutungen, denen die Forscher in Zukunft nachgehen wollen.
FSU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Potapov et al.: Dust/ice mixing in cold regions and solid-state water in the diffuse interstellar medium, Nat. Astron, online 21. September 2020; DOI: 10.1038/s41550-020-01214-x - Laborastrophysik und Clusterphysik, Institut für Festkörperphysik, Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Planeten- und Sternentstehung, Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg