21.02.2019

Wasser ist homogener als gedacht

Wassermoleküle sind mit ihren nächsten Nachbarn nahezu tetahedral koordiniert.

Wasser ist der Stoff des Lebens, die meisten biologischen Prozesse sind auf Wasser angewiesen. Dennoch gibt Wasser noch immer Rätsel auf. So dehnt es sich aus, wenn es gefriert, und zeigt weitere Anomalien, wenn sich Temperatur oder Druck verändern. Das Phasendiagramm von Wasser ist relativ komplex. Wilhelm Conrad Röntgen hatte Ende des 19. Jahrhunderts eine Erklärung dafür vorgeschlagen: Flüssiges Wasser könnte aus einer Mischung von zwei unterschiedlichen Phasen bestehen. In einer befänden sich die Wasser­moleküle in einem geordneten Zustand so wie im Eis, in der anderen Phase dagegen wären die Wasser­moleküle völlig ungebunden wie in einem Gas. Röntgen selbst hatte Zweifel an diesem Mischungs­modell. Denn es ist deutlich komplizierter als das Kontinuums­modell, das davon ausgeht, dass sich in flüssigem Zustand die Wasser­moleküle über Wasserstoff­brücken­bindungen lose und ungeordnet vernetzen. Doch tatsächlich schienen in den letzten Jahren neue Röntgen­studien eher das Mischungs­modell zu stützen.

Abb.: Mit Röntgenlicht (blau) werden Wassermoleküle angeregt. Aus dem...
Abb.: Mit Röntgenlicht (blau) werden Wassermoleküle angeregt. Aus dem abgestrahlten Licht (lila) lassen sich Informationen über Wasserstoffbrücken gewinnen. (Bild: T. Splettstoesser, HZB)

Jetzt hat ein internationales Team um Alexander Föhlisch vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie und der Uni Potsdam an der Synchrotron­strahlungs­quelle BESSY II, sowie an der European Synchrotron Radiation Facility ESRF und der Swiss Light Source Wasser­proben mit modernsten röntgen­spektro­skopischen Methoden untersucht. Die Messdaten zeigen, dass bei Umgebungs­bedingungen Wassermoleküle über Wasserstoff­brücken­bindungen mit ihren nächsten Nachbarn nahezu tetahedral koordiniert sind. Pro Molekül gibt es jeweils 1,74 ± 2,1 Prozent Akzeptor- und Donator-H-Bindungen, also insgesamt fast vier Bindungen, was eine tetrahedrale Koordination ermöglicht.

Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler aus den Daten auch ermitteln, wie sich Wasser­moleküle mit ihren übernächsten Nachbarn koordinieren. Die Röntgen­spektren spiegeln auch die unter­schiedliche Dynamik von verschiedenen Anregungs­prozessen, so findet die kurzzeitige Bildung oder Lösung von Wasserstoff­brücken tausendmal schneller statt als eine Anregung der Wasser­moleküle selbst. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kontinuums­modell Wasser bei Umgebungs­bedingungen angemessen beschreibt.

HZB / RK

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