31.10.2016

Wasser + Kohlenstoff + Zeit = Leben?

Neugegründete Deutsche Astrobiologische Gesellschaft widmet sich der Entstehung von Lebewesen.

Spuren von Leben im All und die Bedingungen für das Entstehen von Leben überhaupt: Diesen und anderen Themen widmet sich die Astrobiologie. In Deutschland ist diese Disziplin noch relativ unbekannt. Henry Strasdeit und Stefan Fox vom Fachgebiet Bio­anorganische Chemie und Wolfgang Hanke vom Fachgebiet Membran­physiologie der Universität Hohenheim in Stuttgart sind Astrobiologen, die bereits seit vielen Jahren die chemischen Grundlagen der Lebens­entstehung und das Verhalten von Lebewesen in Schwere­losigkeit untersuchen. Die neu gegründete Deutsche Astro­biologische Gesellschaft (DAbG) soll solche Forschungs­arbeiten im deutsch­sprachigen Raum besser vernetzen.

Die Astrobiologie führte sie zusammen: Siebzig Naturwissenschaftler aus allen Disziplinen versammelten sich Anfang September im Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin, um die Deutsche Astrobiologische Gesellschaft (DAbG) zu gründen.

Die Gesellschaft möchte die astrobiologische Grundlagen­forschung in den verschiedenen Disziplinen vernetzen, den Nachwuchs fördern und die Astro­biologie im deutsch­sprachigen Raum weiter bekannt machen. Europaweit wird die DAbG in die European Astro­biological Network Association (EANA) eingebunden sein. Weltweit ist die Astrobiologie in der „International Society for the Study of the Origin of Life The International Astro­biology Society” (ISSOL) organisiert.

Für die Universität Hohenheim im Gründungs­komittee saß Henry Strasdeit vom Fachgebiet Bio­anorganische Chemie: „Die Gründung ist ein guter Schritt zur richtigen Zeit. Im DLR beispielsweise sind viele Mitglieder und auch deren Vorsitzende Astro­biologen. Der deutsch­sprachige Raum war bisher formal noch nicht organisiert. Das ist nun Vergangenheit.“

Henry Strasdeit erklärt: „Das Leben auf der Erde ist wahrscheinlich an extremen Orten entstanden. Vulkaninseln sind heiße Kandidaten im wahrsten Sinne des Wortes. Dort gab es hohe Temperaturen, intensive Sonnenstrahlung und häufige Meteoriten­einschläge. Als Astrobiologen bilden wir im Labor die Bedingungen an diesen Orten nach, um die chemischen Prozesse der Lebens­entstehung zu verstehen.“

Zu den Forschungen auf der Erde kommen solche im erdnahen Weltraum: auf der ISS oder mit Forschungssatelliten, zum Beispiel mit dem Satelliten Eu:CROPIS, einem Mini-Gewächshaus, in dem andere Astro­biologen Tomaten unter Mars- und Mond-Schwerkraft züchten werden. Außerdem untersuchen Astro­biologen, wie sich irdisches Leben auf andere Himmelskörper auswirken könnte. Und schließlich suchen sie nach außer­irdischem Leben. Strasdeit: „Astrobiologen suchen im Weltall nach Leben, zum Beispiel mit Hilfe der Spektroskopie von der Erde aus oder mit Raumsonden direkt vor Ort.“

„Aus den Forschungen auf der Erde entwerfen wir Szenarien über die Wahrscheinlichkeit, dass an anderen Orten im Universum ebenfalls Leben entsteht.“ Nach derzeitigem Wissen sind Kohlenstoff und Wasser Grund­bedingungen für Leben – nicht nur auf der Erde, sondern vielleicht im gesamten Universum. „Im Weltall sind bisher auch keine weiteren chemischen Elemente entdeckt worden als diejenigen, die wir auf der Erde haben“, ergänzt Strasdeit.

Dabei suchen die Astrobiologen auch im Weltall eher unwirtliche Orte. „Heute würde kein Leben mehr auf der Erde entstehen, weil der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre zu hoch ist. Die chemischen Prozesse der Lebens­entstehung benötigen anaerobe Bedingungen“, erklärt Strasdeit. „Wegen der Temperaturen muss außerdem der Abstand eines Planeten zu seinem Zentralgestirn stimmen.“

Daher kommen alle Planeten und Monde, auf denen flüssiges Wasser vorhanden oder zumindest möglich ist, ins Visier der Astrobiologen. Dazu gehören der Mars und einige Jupiter- und Saturnmonde sowie manche der bisher rund 3.500 entdeckten Exoplaneten außerhalb unseres Sonnen­systems. Strasdeit: „Ein hoher Sauerstoff­gehalt in der Atmosphäre eines Exoplaneten wäre nach heutigem Wissens­stand ein Hinweis auf Photo­synthese, also auf außerirdisches Leben.“

„Wir an der Universität Hohenheim untersuchen Biosignaturen, also direkte oder indirekte Spuren für die Existenz von Leben. Für uns sind das meist Biomoleküle oder Reste davon. Dazu simulieren wir zum Beispiel Bedingungen, wie sie auf anderen Planeten und Monden herrschen. Das klingt nach Science Fiction, ist aber grundsolide Laborarbeit und chemische Analytik“, erläutert Stefan Fox von der Universität Hohenheim.

Fox habilitiert im Fachgebiet Bioanorganische Chemie und untersucht die Wechsel­wirkungen von Salzen und Mineralien mit Biomolekülen. Er beschäftigt sich mit chemischer Evolution: „Wie die ersten Lebewesen standen bereits auch chemische Systeme, die ihnen vorausgingen, unter Evolutions­druck und mussten sich unter den vorhandenen Bedingungen weiterentwickeln.“

„Nach unserem bisherigen Wissen hat sich das Leben zunächst sehr langsam entwickelt.“ Die Erde wurde vor etwa 4 Milliarden Jahren bewohnbar. Spätestens eine halbe Milliarde Jahre danach existierten einzellige Mikro­organismen. Bis die ersten echten Mehrzeller entstanden, dauerte es noch einmal etwa 1,5 Milliarden Jahre. Zum Vergleich: Die Dinosaurier starben vor 66 Millionen Jahren aus.

U. Hohenheim / DE

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