23.08.2016

Wasserstoff aus Abwärme

Pyroelektrischer Effekt von Kristallen kann zur Spaltung von Wassermolekülen genutzt werden.

Aus oft unge­nutzer Abwärme in Industrie­betrieben könnte regenerativ Wasserstoff erzeugt werden. Eine Grundlage dazu legte nun Rico Belitz vom Fraunhofer-Technologie­zentrum Halbleiter­materialien THM in Freiberg. Er konnte zeigen, dass pyro­elektrische Kristalle von außen aufgeprägte Temperatur­änderungen zu einer elek­trischen Aufladung der Kristall­oberflächen führen. Dabei kann die Aufnahme von Ladungs­trägern aus der Umgebung zur Kompensation der Oberflächen­ladungen ausgenutzt werden, um Wasser­stoff aus Wasser zu erzeugen.

Abb.: Rico Belitz mit einem Mikroreaktor, in dem er die Wasserstofferzeugung an pyroelektrischen Kristallen nachwies. (Bild: Fh.-THM)

Der Effekt der Pyro­elektri­zität war bereits in der Antike bekannt, die breite technische Umsetzung erfolgte allerdings erst in der Mitte des 20. Jahr­hunderts mit der Entwicklung von Infra­rot-Sensoren. Die Sensoren nutzen dabei die elek­trische Aufladung der Ober­flächen pyro­elektrischer Materialien bei Wärme­einwirkung aus. Auf diesem Detektor-Prinzip basiert heute der am häu­figsten verwendete Typ von Bewegungs­meldern. Aber auch Pyrometer benutzen kleine, pyro­elektrische Kristalle. Diese Geräte lassen sich bei der Bau­thermografie zum Aufspüren von Wärme­brücken einsetzen.

Die Arbeiten am Fraun­hofer THM verfolgen den Ansatz, pyro­elektrische Kristalle im direkten Kontakt mit Wasser einem Temperatur­wechsel auszusetzen. Die damit einher­gehende Änderung der Ober­flächen­potentiale von etwa Barium­titanat­kristallen ermöglicht eine Reaktion der adsorbierten Wasserstoff- und Sauerstoff­ionen oder -moleküle zur Bildung von gas­förmigem Wasser­stoff und Sauerstoff. Eine vorab durch­geführte theore­tische Studie zu diesem Prozess zeigte, dass dafür eine sehr große wirksame Oberfläche der pyro­elektrischen Kristalle nötig ist und die Temperatur­wechsel mit hoher Frequenz erfolgen müssen, um in den Bereich mess­barer Wasserstoff­konzentra­tionen zu gelangen.

Für eine relevante Produktions­menge aus Sicht einer technischen Nutzung, zum Beispiel zur Wandlung von Nieder­temperatur­abwärme in chemische Energie, wären diese Werte noch weitaus größer. Rico Belitz und seine Kollegen vom Fraunhofer THM und vom Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensor­technik e.V. in Meinsberg hatten hier vorläufig das Ziel, das Funktions­prinzip mit einem Labor­demonstrator nachzuweisen. „Als pyro­elektrisches Material wurde Barium­titanat ausgewählt. In einem Temperatur­fenster von 0 bis 120 °C liegt das kristal­line Material in der pyro­elektrisch wirkenden, tetra­gonalen Phase vor, was sehr gut zum Temperatur­niveau indus­trieller Abwärme in Rückkühl­anlagen oder dem Rücklauf von Heizungs­systemen passt“, erläutert Rico Belitz.

Für die Versuche wurden zunächst grobe Kristall­stücke in Mörsern zu Pulver gemahlen, um die wirksame Oberfläche zu erhöhen, und dann in einen kleinen, quader­förmigen Behälter gefüllt. Nach der Pola­risation in einem elek­trischen Feld wurde der Behälter mit Wasser gefüllt und einer perio­dischen Temperatur­änderung zwischen 40 und 70 °C ausgesetzt. Dies erfolgte in einem speziell dafür konzi­pierten Mini-Teststand. Um eine Beein­trächtigung durch den in der Atmo­sphäre enthaltenen Wasser­stoff auszu­schließen, wurde die Apparatur vor Versuchs­beginn mit Stickstoff gespült. Mit Hilfe eines hoch­empfindlichen Wasser­stoff-Gas­sensors konnte nach einigen Durchläufen schließlich pyro­elektrisch erzeugter Wasser­stoff nach­gewiesen werden, wenn auch in sehr geringen Mengen. „Dieses Ergebnis zeigt die prinzi­pielle Möglichkeit auf, pyro­elektrische Kristalle zur Erzeugung von Wasserstoff einzu­setzen. Für eine spätere technische Umsetzung ist jedoch noch weitere inten­sive Forschungs­arbeit, ins­besondere auch unter Verwendung alter­nativer pyro­elektrischer Materialien, erforder­lich“, stellt Belitz klar.

Auch wenn es noch ein langer Weg vom Nachweis der prinzi­piellen Mach­barkeit bis zur tatsäch­lichen Anwendung ist, zeigt sich ein hohes wissen­schaftlich-technisches Interesse an inno­vativen Methoden zur Energie­umwandlung. So wurde die Arbeit von Rico Belitz auf der Frühjahrs­tagung der European Materials Research Society Anfang Mai 2016 in Lille mit dem „Best Poster Award“ im „Symposium W – Materials and Systems for Micro­energy Har­vesting and Storage“ ausgezeichnet.

Fh.-THM / JOL

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