Weg zu einem globalen Modell der Kernstruktur
Laserspektroskopische Messungen an einer langen Kette von Cadmiumisotopen.
Physiker der Technischen Universität Darmstadt und ihre Kollaborationspartner haben mit laserspektroskopischen Messungen an Cadmiumisotopen ein verbessertes Modell des Atomkerns bestätigt. Es wurde entwickelt, um das ungewöhnliche Verhalten der Radien von Calciumisotopen zu beschreiben. Die Ergebnisse könnten ein Schritt zu einem globalen Modell der Kernstruktur sein.
Abb.: Frequenzvervierfachung für die Erzeugung von 215 Nanometer Licht zur Spektroskopie der Cadmiumisotope. (Bild: M. Hammen)
Der Ladungsradius ist eine der fundamentalen Kenngrößen eines Atomkerns und hinterlässt seine Spuren im optischen Spektrum eines Atoms, obwohl dieses von der Atomhülle und den darin befindlichen Elektronen erzeugt wird. Das Spektrum jeder Atomsorte ist einzigartig wie ein Fingerabdruck und kann mit Laserlicht präzise vermessen werden. So können Informationen über die Größe und Eigenschaften des Atomkerns gewonnen werden. Diese Technik eignet sich auch für sehr kurzlebige Kerne. Laserspektroskopische Messungen an einer langen Kette von Cadmiumisotopen bestätigen nun ein spezielles Kernmodell, das entwickelt wurde, um das ungewöhnliche Verhalten der Radien von Calciumisotopen zu beschreiben.
Vor zwei Jahren präsentierten Physiker der TU Darmstadt Radienmessungen exotischer Calciumisotope, die mit keinem der gängigen Kernmodelle zu erklären waren. Inzwischen wurde von Theoretikern mit Beteiligung der Universität Erlangen-Nürnberg und des NSCL (USA) ein weiterentwickeltes Modell präsentiert. Es beruht auf der Kerndichte-Funktionaltheorie, und seine Parameter wurden speziell an den Verlauf der Calciumradien angepasst. Das Modell zeigte bei einigen Kernen mit ähnlicher Größe wie Calcium bereits eine gute Übereinstimmung zwischen Theorie und Messergebnissen.
Erklärtes Ziel der Kernstrukturtheorie ist es jedoch, ein möglichst globales Modell zu erhalten, welches für einen großen Bereich der Nuklidkarte gültig ist. Die Vorhersagekraft des neuen Modells wurde nun anhand von Radienmessungen an mehr als dreißig Cadmiumisotopen getestet, die etwa zweieinhalb Mal so viel Masse auf die Waage bringen wie die besagten Calciumkerne, für die es zunächst aufgestellt wurde. Das Darmstädter Team um Wilfried Nörtershäuser hat diese Messungen gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck Instituts für Kernphysik in Heidelberg, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und zahlreichen ausländischen Partnern an der Isotopenfabrik Isolde am Cern durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen eine exzellente Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen. Dies ist bemerkenswert, da die Ladungsradien als prinzipiell theoretisch schwierig zu beschreibende Größe gelten. Das gilt vor allem für die ausgeprägten kleinen Schwankungen des Kernradius zwischen Isotopen mit gerader und ungerader Massenzahl, die mit den hochpräzisen neuen Messungen sehr fein aufgelöst werden. Die Forschungsgruppe hat inzwischen begonnen, weitere Ketten in der Nachbarschaft der Cadmiumisotope zu untersuchen, um festzustellen, ob die Theorie auch dort ähnlich erfolgreich angewendet werden kann. Dies wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung eines globalen Modells der Kernstruktur.
TU Darmstadt / JOL