Wellenreiten für einzelne Elektronen
Schallwellen transportieren Ladungen kontrolliert von einem Quantenpunkt zum anderen – und zurück.
Elektronische Schaltkreise, die mit einzelnen Elektronen arbeiten, sind heute noch Zukunftsmusik. Zwar kann man Elektronen isoliert in Quantenpunkten festhalten, aber schon ihr Transport über Mikrometerdistanzen bereitet Probleme, da sie sogleich zwischen den anderen Leitungselektronen verlorengehen. Doch jetzt haben zwei Forschergruppen einzelne Elektronen kontrolliert mit Schallwellen von einem Quantenpunkt zum anderen gebracht.
Abb.: Ping-Pong mit Elektronen in der Halbleiterschicht – bis zu 60 Mal wurde ein einzelnes Elektron zwischen zwei Quantenpunkten (LQD, RQD) mit einer Schallwelle durch einen 4 µm langen Kanal hin und her transportiert. (R. P. G. McNeil et al. / Nature)
Sowohl Tristan Meunier am Institut Néel in Grenoble und seine Kollegen als auch die Forscher um David Ritchie von der University of Cambridge benutzten Halbleiterstrukturen aus Galliumarsenid, in denen zwei Quantenpunkte durch einen mehrere Mikrometer langen Kanal verbunden waren. Der Kanal kam dadurch zustande, dass durch zwei nebeneinander liegende negative Elektroden die Leitungselektronen der Halbleiterschicht aus dem streifenförmigen Zwischenraum der beiden Elektroden herausgedrängt wurden.
Bei ihrem jeweiligen Experiment luden die Forschergruppen ein Elektron in den einen Quantenpunkt und sorgten dafür, dass der andere leer war. Wie viele Elektronen ein Quantenpunkt enthielt, ließ sich an ihrer Wirkung auf die Leitfähigkeit eines mit ihm kapazitiv gekoppelten Quantenpunktkontakts ablesen. Mit einem Signalgeber erzeugten die Forscher einen Mikrowellenpuls, der den Kanal entlang lief. Aufgrund der piezoelektrischen Eigenschaften des Galliumarsenids rief dies eine Oberflächenschallwelle hervor, die sich entlang des Kanals vom linken zum rechten Quantenpunkt bewegte und ein Elektron mitriss.
Die Schallwelle modulierte das elektrische Potential in der Halbleiteroberfläche, sodass mehrere mobile „Quantenpunkte“ entstanden. Einer von ihnen nahm das Elektron im linken, ortsfesten Quantenpunkt auf, transportierte es den Kanal entlang und gab es schließlich an den rechten Quantenpunkt ab. Die Forscher sahen die einzelnen Elektronen, die eine Geschwindigkeit von etwa 3 µm/ns hatten, innerhalb derselben Nanosekunde im linken Quantenpunkt verschwinden und im rechten wieder auftauchen.
Der linke Quantenpunkt war damit eine Einzelelektronenquelle, für deren Effizienz die Forscher in Grenoble 96 % gemessen haben, während der rechte Quantenpunkt ein Elektronendetektor mit einer Ausbeute von 92 % war. David Ritchie und seine Mitarbeiter in Cambridge haben mit aufeinander folgenden Mikrowellenpulsen, die in abwechselnder Richtung durch den Kanal liefen, einzelne Elektronen bis zu 60 Mal zwischen dem linken und dem rechten Quantenpunkt hin und her transportiert. Dabei legten die Elektronen eine „makroskopische“ Entfernung von 0,25 mm zurück, ehe sie schließlich verlorengingen.
Es konnten auch zwei Elektronen auf der Schallwelle „surfen“, wie die Forscher in Grenoble beobachteten. Sie luden dazu zwei Elektronen auf den linken Quantenpunkt und bemaßen den Mikrowellenpuls so, dass er beide Teilchen mitriss und zum rechten Quantenpunkt brachte. Den Forschern gelang es zudem, dass nur eines der beiden Elektronen transportiert wurde. Dadurch wäre es möglich, zwei Elektronen mit verschränkten Spinzuständen voneinander zu trennen, sodass sie schließlich auf zwei verschiedenen Quantenpunkten sitzen. Die verschränkten Spins könnte man dann für eine Quantenteleportation benutzen.
Allerdings haben die beiden Forschergruppen noch nicht überprüft, ob der Spinzustand eines Elektrons während des Transports von einem Quantenpunkt zum anderen tatsächlich erhalten bleibt oder durch Dekohärenz zerstört wird. Bei anderen Experimenten konnten Spins jedoch Distanzen von 70 µm in Halbleiterschichten zurücklegen, ohne dass Dekohärenz auftrat. Die Forscher in Cambridge argumentieren, dass die Dekohärenz vor allem durch Kernspins hervorgerufen wird, deren Einfluss auf die Elektronenspins viel größer ist, wenn sie in den Quantenpunkten festgehalten werden als wenn sie mit hoher Geschwindigkeit auf der Schallwelle durch den Kanal reiten. Damit stehen die Chancen gar nicht so schlecht, Elektronen mit paarweise verschränkten Spins einzeln oder gemeinsam zwischen Quantenpunkten zu transportieren.
Die Forscher in Cambridge weisen zudem darauf hin, dass man mit den surfenden Elektronen eine Einzelphotonenquelle betreiben könnte. Dazu ließe man „auf Knopfdruck“ ein Elektron aus dem linken Quantenpunkt von der Schallwelle mitnehmen und in einen mit Löchern dotierten Bereich transportieren. Dort würde das Elektron mit einem Loch rekombinieren, wobei ein Photon entstünde. Die Experimente von Grenoble und Cambridge eröffnen somit interessante Möglichkeiten für die Photonik und die Quanteninformationsverarbeitung.
Rainer Scharf
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