Weltrekord bei Schwerionenkollisionen
Für Blei-Atomkerne verdoppelt sich die Kollisionsenergie fast, auf ein Peta-Elektronenvolt.
Nach der erfolgreichen Wiederinbetriebnahme des Large Hadron Collider (LHC) am CERN im Sommer schlug jetzt die Stunde der Schwerionenphysiker, nachdem zunächst für einige Monate Protonen zur Kollision gebracht wurden. Im gerade gestarteten Experimentierprogramm mit Blei-Atomkernen verdoppelt sich die Kollisionsenergie im Vergleich zur vorhergehenden LHC-Kampagne fast, wobei erstmals die Marke von einem Peta-Elektronenvolt (1015 eV) fiel.
Abb.: Typische Kollision mit mehreren Tausend rekonstruierten Spuren von geladenen Teilchen. (Bild: GSI)
Vorausgegangen ist eine Phase intensiver Arbeiten, um den LHC und die Kette seiner Vorbeschleuniger für Schwerionenstrahlen zu konfigurieren, angefangen mit dem von Forschern der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt (GSI) in den 90er Jahren entwickelten und gebauten Ionen-Injektor, ohne den der jetzige Schwerionen-Betrieb am LHC nicht möglich wäre. Am 25. November war es dann soweit: „stabiler Strahl" wurde gemeldet, was den Beginn einer fast einmonatigen Strahlzeit mit positiv geladenen Blei-Ionen markierte.
In derartigen Kollisionen wird kurzzeitig ein Quark-Gluon-Plasma produziert, eine Form von Materie, die nur bei extrem hohen Temperaturen oder Dichten existieren kann und die charakteristisch für die Eigenschaften unseres Universums kurz nach dem Urknall ist. An der Untersuchung dieses Quark-Gluon-Plasmas beteiligen sich in der gerade begonnen Strahlzeit alle vier großen LHC-Experimente, insbesondere auch das ALICE-Experiment, das für derartige Studien speziell ausgelegt ist.
Die ALICE-Gruppe des GSI ist mitverantwortlich für den Betrieb der zwei größten Detektorsysteme in ALICE. Die Zeitprojektionskammer (TPC) und der Übergangsstrahlungsdetektor (TRD) entstanden unter wesentlicher Beteiligung dieser Gruppe und des GSI-Detektorlabors. Auch das intelligente Triggersystem HLT, mit dem die Daten schon während der Datennahme gefiltert und komprimiert werden, ist unter GSI-Beteiligung entstanden. Die IT ist am weltweit verteilten Netzwerk (Grid) zur Analyse der Daten beteiligt. Darüber hinaus werden die Computer-Farmen des GSI speziell von den deutschen ALICE-Gruppen für Analysen genutzt.
Das ALICE-Experiment registriert nun in den kommenden Wochen hunderte von Millionen Kollisionen von Blei-Atomkernen. Erste physikalische Resultate erwarten die Forscher schon bald. Ein Schwerpunkt liegt hier zunächst auf der Messung von Impulsverteilungen der in den Kollisionen produzierten Teilchen. Diese versprechen einen ersten Einblick in die Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasmas bei der größten jemals erreichten Energiedichte.
GSI / PH