02.11.2022

Weltweit erste optische Atomuhr mit hochgeladenen Ionen

Neues System basiert auf dreizehnfach geladenen Argon-Ionen.

Optische Atomuhren sind die genauesten je gebauten Messgeräte und sind inzwischen zu einer Schlüssel­technik in der Grundlagen- und der angewandten Forschung geworden, etwa zum Test der Konstanz von Naturkonstanten oder für Höhen­messungen in der Geodäsie. Jetzt haben Forschende des QUEST-Instituts in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) Heidelberg, der TU Braunschweig und im Rahmen des Exzellenz­clusters Quantum­Frontiers zum ersten Mal eine optische Atomuhr realisiert, die auf hochgeladenen Ionen basiert. Diese Art von Ionen bietet sich für eine solche Anwendung an, da sie außer­gewöhnliche atomare Eigenschaften und eine geringe Empfind­lichkeit gegenüber externen elektro­magnetischen Feldern haben.

Abb.: Illustration der Laserabfrage eines hochgeladenen Uhren-Ions. (Bild: PTB)
Abb.: Illustration der Laserabfrage eines hochgeladenen Uhren-Ions. (Bild: PTB)

Hochgeladene Ionen sind eine weit verbreitete Form der Materie im Kosmos, wo sie beispiels­weise in der Sonne oder anderen Sternen vorkommen. Sie haben viele Elektronen verloren und weisen eine hohe positive Ladung auf. Deswegen sind ihre äußeren Elektronen stärker am Atomkern gebunden als in neutralen oder schwach geladenen Atomen. Aus diesem Grund reagieren hochgeladene Ionen weniger stark auf Störungen durch äußere elektro­magnetische Felder, können aber als eine empfindliche Sonde für fundamentale Effekte der speziellen Relativitäts­theorie, der Quanten­elektrodynamik und des Atomkerns dienen. „Daher erwarteten wir, dass eine optische Atomuhr mit hochgeladenen Ionen uns hilft, diese grundlegenden Theorien besser zu testen“, erläutert PTB-Physiker Lukas Spieß. Diese Hoffnung hat sich bereits erfüllt: „Wir konnten den quanten­elektrodynamischen Kernrückstoß, eine wichtige theo­retische Vorhersage, in einem Fünf-Elektronen-System nachweisen, was zuvor in keinem anderen Experiment gelungen ist“, sagt Spieß. 

Zuvor hatte das Team in jahrelanger Arbeit einige grundlegende Probleme lösen müssen, wie etwa die Detektion und das Kühlen: Für Atomuhren muss man die Teilchen extrem herunter­kühlen, um sie möglichst zum Stillstand zu bringen und so in Ruhe ihre Frequenz auszulesen. Hochgeladene Ionen aber werden produziert, indem man ein extrem heißes Plasma erzeugt. Aufgrund ihrer extremen Atomstruktur kann man hochgeladene Ionen nicht direkt mit Laserlicht kühlen, und auch übliche Detektions­verfahren sind nicht anwendbar. Dies wurde durch eine Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg und dem QUEST-Institut an der PTB gelöst, indem ein einzelnes hoch­geladenes Argon-Ion aus einem heißen Plasma isoliert und zusammen mit einem einfach geladenen Beryllium-Ion in einer Ionenfalle gespeichert wurde.

Das erlaubt es, das hoch­geladene Ion indirekt zu kühlen und mithilfe des Beryllium-Ions zu untersuchen. Für die folgenden Experimente wurde ein kryogenes Fallensystem gebaut. Anschließend gelang es durch einen in der PTB entwickelten Quanten­algorithmus, das hochgeladene Ion noch weiter, nämlich nahe an den quantenmechanischen Grundzustand zu kühlen. Das entsprach einer Temperatur von 200 millionstel Kelvin oberhalb des absoluten Nullpunkts. 

Jetzt ist den Forschenden der nächste Schritt gelungen: Sie haben eine optische Atomuhr basierend auf dreizehnfach geladenen Argon-Ionen realisiert und das Ticken mit der bestehenden Ytterbium-Ionen-Uhr an der PTB verglichen. Dazu mussten sie das System genaustens analysieren, um beispiels­weise die Bewegung des hoch­geladenen Ions und Effekte äußerer Störfelder zu verstehen. Dabei wurde eine Messunsicherheit erreicht, die vergleichbar mit vielen aktuell betriebenen optischen Atomuhren ist. „Wir erwarten eine weitere Reduktion der Unsicherheit durch technische Verbes­serungen, was uns in den Bereich der besten Atomuhren bringen sollte“, sagt Piet Schmidt, der die Forschungs­gruppe leitet.

Damit haben die Forschenden eine ernsthafte Konkurrenz zu den existierenden optischen Atomuhren auf der Basis etwa einzelner Ytterbium-Ionen oder neutraler Strontium-Atome geschaffen. Die angewandten Methoden sind universell einsetzbar und erlauben es, viele verschiedene hochgeladene Ionen zu untersuchen. Darunter fallen auch atomare Systeme, mit denen man nach Erwei­terungen des Standard­modells der Teilchenphysik suchen kann. Andere hochgeladene Ionen sind besonders empfindlich gegenüber Änderungen der Feinstruktur­konstante und gegenüber bestimmten Kandidaten dunkler Materie, die in Modellen jenseits des Standard­modells gefordert werden, aber mit bisherigen Methoden nicht nachgewiesen werden konnten.

PTB / JOL

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