21.06.2016

Wenn Bilder trügen

Nanoskopische Mehrfachbelichtungen täuschen Protein-Cluster vor.

Mit Licht lassen sich keine Strukturen abbilden, die kleiner sind als die halbe Wellen­länge - so dachte man für lange Zeit. Die Entwicklung der Nano­skopie hat aller­dings gezeigt, dass diese Regel Schlupf­löcher offen­lässt: Wenn man unter­schied­liche Moleküle zu unter­schied­lichen Zeit­punkten auf­leuchten lässt, kann man sie am Ende zu einem scharfen Bild zusammen­fügen. Im Jahr 2014 wurde dafür der Chemie-Nobel­preis vergeben. Inzwischen ist die Nano­skopie eine welt­weit ange­wandte Methode, mit der unter anderem die Struktur der Zell­membran unter­sucht wird.

Abb.: Ein typisches Bild, zusammen­ge­setzt aus mehreren Mikro­skop-Auf­nahmen. (Bild: TU Wien)

Dabei beobachteten Forscher überraschenderweise immer wieder, dass sich Membran­proteine in Gruppen zusammen­zu­ballen schienen. Auch an der TU Wien unter­suchten Wissen­schaftler diese Cluster und erkannten, dass es sich bei vermeint­lichen Gruppen von Proteinen oft­mals um einzelne blinkende Moleküle handelt, die mehr­fach gezählt werden. Eine neue Methode des Teams kann jetzt zwischen echten Clustern und solchen Arte­fakten unter­scheiden.

„Für viele biologische oder medizinische Fragestellungen ist es ent­scheidend, die Struktur der Zell­membran genau zu verstehen“, sagt Florian Baum­gart von der Bio­physik-Forschungs­gruppe um Gerhard Schütz an der TU Wien. „Nano­skopie ist ein ideales Werk­zeug, um die räum­liche Anordnung von Proteinen auf der Zell­membran zu unter­suchen. Wir forschen an T-Zellen, die Antigene erkennen und dadurch eine zentrale Rolle in unserem Immun­system spielen.“

Um Nanoskopie auf biologische Proben anzuwenden, werden Proteine mit fluores­zierenden Molekülen markiert. In der klassischen Fluores­zenz­mikro­skopie ist ein einzelner Fluorophor nicht als klarer Punkt, sondern als leicht verschwommene Scheibe sichtbar. Leuchten alle Moleküle der Probe gleich­zeitig, über­lappen ihre Abbil­dungen und man verliert die Infor­mation über ihre räum­liche Anord­nung. Über einen chemischen Trick kann man die Fluoro­phore allerdings zum Blinken bringen. Man nimmt dann eine Serie von Bildern auf, wobei Jeweils immer nur einige wenige Fluorophore auf­leuchten. Am Computer kann man die Position der Moleküle in jedem Einzel­bild bestimmen und daraus schließlich ein hoch­auf­ge­löstes Bild der Probe rekon­struieren.

„Verschiedenen Arbeitsgruppen haben in der Vergangenheit unter­sucht, wie die Proteine auf der Zell­membran ange­ordnet sind. Dabei wurde immer wieder beob­achtet, dass sich fast alle unter­suchten Proteine nicht zufällig verteilen, sondern an bestimmten Stellen geballt als Cluster vor­zu­kommen scheinen“, erklärt Baum­gart. Das wirkte durchaus glaub­würdig. Man wusste bereits, dass T-Zellen bei der Anti­gen­erkennung in kurzer Zeit stabile Protein­cluster aus­bilden können, die so groß sind, dass man sie sogar mit klassischer Fluores­zenz­mikro­skopie nach­weisen kann. Nano­skopisch kleine Protein­cluster, so dachte man, könnten Vor­läufer dieser größeren Struk­turen sein – mit entschei­dender Bedeutung für die Funktion von T-Zellen.

Auch Baumgart machte sich auf die Suche nach solchen Nano­clustern. Aber Nano­skopie ist eben nicht so einfach wie Urlaubs­fotos schießen. Es gibt viele Fehler­quellen, man muss die gewonnenen Daten sorg­fältig aus­werten, um zuver­lässige Ergebnisse zu erhalten. Manche Moleküle können wiederholt auf­leuchten, diese mehr­fachen Licht­signale kann man dann leicht als Molekül­cluster fehl­inter­pretieren.

„Wir haben überlegt, wie man Cluster abwechselnd leuchtender Moleküle von einem einzigen, immer wieder blinkenden Molekül unter­scheiden kann“, so Baum­gart. Gelungen ist das, indem die Konzen­tration der zur Markierung verwendeten Fluorophore schritt­weise verändert wurde. „In den aufge­nommen Bildern können zufällig verteilte Moleküle mehrfach abge­bildet werden, oder es kann sich tat­säch­lich um Cluster­bildung handeln. Doch statistisch unter­scheidet sich die Verteilung der Molekül­positionen in den beiden Fällen.“ Versammeln sich die Proteine tatsächlich in Clustern, dann werden dort zwar mehr Molekül­positionen sicht­bar, aber dazwischen bleiben dunkle Frei­räume. Handelt es sich aller­dings um einzelne Moleküle, die mehr­fach auf­leuchten, dann wird bei steigender Konzen­tration fluores­zierender Moleküle die gesamte Fläche der Probe mit Molekül­positionen auf­ge­füllt ohne sich lokal massiv zu häufen.

„Auf diese Weise fanden wir, dass die untersuchten Membran­proteine der T-Zellen vor deren Akti­vierung gar keine Cluster bilden – diese Theorie muss verworfen werden“, sagt Baumgart. „Es gibt auch Beispiele für Proteine, die nach­weis­lich molekulare Cluster aus­bilden. Mit ihnen ergeben sich dann Bilder mit ganz anderen statis­tischen Eigen­schaften als die zufällig verteilten T-Zell-Proteine.“ Die Methode, mit der man Protein­cluster von mehr­fach blinkenden Molekülen unter­scheiden kann, soll in Zukunft helfen, Bilder aus der Nano­skopie richtig zu deuten und die großen Rätsel der Zell­membran auf­zu­klären.

TUW / RK

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