27.05.2016

Wenn der Sekunde die Stunde schlägt

Optische Uhren machen eine präzisere Definition der Standardeinheit Sekunde möglich.

Genauer sind sie jetzt schon, aber noch nicht so zuverlässig. Daher haben optische Uhren, die schon einige Jahre lang als die Uhren der Zukunft gelten, die Cäsium-Atom­uhren noch nicht als Grundlage für die SI-Basiseinheit Sekunde abgelöst. Das könnte sich aber ändern. Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt (PTB) haben gezeigt, dass optische Uhren jetzt schon geeignet sind, um an der Realisierung der weltweiten Zeitskala beteiligt zu werden.

Abb.: Die optische Strontium-Gitteruhr (Bild: PTB)

„Unsere Untersuchung ist ein Meilen­stein auf dem Weg zu einer praktischen Einbindung der optischen Uhren“, sagt Christian Grebing, Physiker bei der PTB. Zurzeit haupt­sächlich für physikalische Grund­lagen­untersuchungen genutzt, könnten optische Uhren einmal eine bedeutende Rolle in der Runde der etwa 500 Atom­uhren spielen, die die weltweite Zeitskala realisieren. Diese Uhren sind innerhalb eines globalen Zusammen­schlusses dafür zuständig, den weltweiten Finanz-, Kommunikations-, Satelliten­navigations- und Energie­versorgungs­systemen möglichst genaue Zeitsignale zu liefern.

Grundsätzlich arbeitet jede Uhr mit einer Art Pendel, mit einem regelmäßig ablaufenden periodischen Prozess, der gezählt wird. Je schneller dieses Pendel, desto genauer kann man die Sekunde ermitteln. Daher sind die Cäsium-Atomuhren, auf denen gegenwärtig die Definition der SI-Basis­einheit Sekunde beruht und mit denen auch praktisch die weltweite Zeit ermittelt wird, schon sehr genau: Sie ticken rund 9 Milliarden Mal pro Sekunde. Ihr Pendel ist eine natürliche Schwingung im Cäsium­atom. Verglichen mit dieser Schwingungs­frequenz im Mikro­wellen­bereich sind die optischen Uhren nochmal deutlich schneller. Ihr Pendel ist eine 100.000mal schnellere atomare Schwingung im Bereich des optisch sichtbaren Lichts. Sie werden daher schon längere Zeit als potenzielle Nachfolger der Cäsium­uhren gehandelt.

„In rund zehn Jahren könnte es soweit sein“, schätzt Christian Grebing. Er hat mit seinen Kollegen am Beispiel der optischen Strontium-Gitter­uhr der PTB gründlich untersucht, wie gut eine solche Uhr den Job des „Zeitmachens“ heute erfüllen würde. Auf der positiven Seite ist da die größere Genauigkeit, auf der negativen Seite die noch relativ häufigen Still­stands­zeiten. Eine optische Uhr tickt also nicht so lange am Stück wie die Cäsium-Konkurrenz. „Aber selbst wenn man das berück­sichtigt, so würde der Prozess des ‚Zeitmachens‘ insgesamt verbessert“, betont Grebing. Es wäre also theoretisch von Vorteil, schon jetzt die Definition der Einheit Sekunde zu ändern. Aber er ist realistisch: „Es ist sinnvoll, an der alten Definition festzuhalten, bis klar ist, welcher der verschiedenen Typen von optischen Uhren sich am besten eignet. Außerdem ist angesichts des schnellen Fort­schritts auf diesem Gebiet noch gar nicht klar, wie die Reise hin zu noch größerer Genauigkeit weitergehen wird.“

Die Forscher haben zweierlei untersucht: erstens, inwieweit optische Uhren schon praktisch einsetzbar sind, und andererseits, wie man ihre Sekunden­länge bestmöglich an die gegen­wärtige Sekunden­länge anpassen kann. Für das erste Ziel kombinierten sie einen kommerziellen Maser mit der Strontium­uhr der PTB. Er diente als verlässliches – wenn auch nicht so genaues – Pendel, das die gelegentlichen Still­stands­zeiten der optischen Uhr überbrückte. Um seine Frequenz in den Frequenz­bereich der Strontium­uhr zu übersetzten, nutzten die Forscher einen optischen Frequenz­kamm. Auf diese Weise gekoppelt, lief das System 25 Tage lang. In etwa der Hälfte dieser Zeit lieferte die Uhr selbst (und nicht der Maser) die Sekundenticks. Trotz Still­stands­zeiten von maximal zwei Tagen am Stück berechneten die Forscher für die 25 Tage eine Abweichung von weniger als 0,2 Nanosekunden.

Um zu untersuchen, wie sich die Sekunden­länge aus der optischen Uhr möglichst nahtlos an die gegenwärtige Sekunden­länge anschließen lässt, verglichen die Wissenschaftler ihre Strontium­uhr mit zwei Mikro­wellen­uhren der PTB. Mithilfe des Masers ließ sich die Unsicherheit dieser Messungen stark verbessern. So maßen die Forscher die Absolut­frequenz der optischen Strontium­uhr mit der bisher geringsten Unsicherheit von etwa 2,5 × 10–16. Das entspricht einem Verlust von nur 100 Sekunden seit Beginn des Universums vor knapp 14 Milliarden Jahren.

PTB / DE

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