11.10.2018

Wenn die Elektronenhülle sich ausdehnt

Photoanregung eines Indiumatoms in super­fluidem Helium beob­achtet.

Markus Koch von der TU Graz konzentriert sich in seiner Forschungs­arbeit auf Prozesse in Mole­külen und Clustern, die auf Zeit­skalen von Piko- und Femto­sekunden ablaufen. Jetzt ist ihm und seinem Team ein Durch­bruch auf dem Weg zu Erfor­schung völlig neu­artiger moleku­larer Systeme gelungen: Mittels Femto­sekunden­spektro­skopie, die es ermög­licht ultra­schnelle Prozesse zeit­auf­ge­löst zu messen, konnten die Forscher genau beschreiben, was in einem supra­flüssigen, rund fünf Nano­meter großen Helium­tröpf­chen nach Photo­anre­gung eines Atoms im Inneren der Tröpf­chen passiert. Das ist ein Meilen­stein in der Grund­lagen­forschung der experi­men­tellen Atom- und Molekül­physik.

Abb.: Markus Koch (3. von links), Bernhard Thaler (4. von links) mit Instituts­vor­stand Wolfgang Ernst (ganz rechts) und dem gesamten Team im Femto­sekunden-Laser-Labor der TU Graz. (Bild: Lunghammer, TU Graz)

Die Femtosekundenspektroskopie ermöglicht Momentaufnahmen von Atom­bewe­gungen basie­rend auf dem Anre­gungs-Abfrage-Prinzip. Als Versuchs­anord­nung wird ein ein­zelnes Indium­atom in ein win­ziges Helium­tröpf­chen ein­ge­bracht. Das Indium­atom wird dann mit einem kurzen Laser­puls ange­regt und über­trägt Energie auf das um­gebende Helium, das in eine kollek­tive Schwin­gung ver­setzt wird. Ein zeit­ver­zögerter zweiter Licht­blitz fragt dann diese dyn­amische Infor­ma­tion des Systems ab. Team-Mitglied Bernhard Thaler erklärt den Vor­gang: „Wenn wir das Atom im Helium­tröp­fchen photo­dyna­misch anregen, dehnt sich seine Elek­tronen­hülle aus und die es um­gebende Blase ver­größert sich inner­halb einer Piko­sekunde nach Stimu­la­tion. Wir beob­achten weiter, dass das Indium­atom nach etwa fünfzig bis sechzig Piko­sekunden gänz­lich aus dem Tröpf­chen aus­ge­worfen wird. Genaue Erkennt­nisse zu diesen Dynamiken konnten wir jetzt durch die zeit­auf­ge­löste Beob­ach­tung des Pro­zesses erst­mals gewinnen.“ Ein Prozess, der geprägt ist von Super­la­tiven: Von einer ultra­kurzen Zeit­skala im Femto­sekunden-Bereich, in der die Teil­chen­bewe­gungen ablaufen und von Helium­tröpf­chen mit nur wenigen Nano­metern Durch­messer, die auf eine Tempe­ratur von 0,4 Kelvin gekühlt werden. Mittels einer Simula­tions­soft­ware konnte das Team diesen Prozess in einer Simula­tion sehr anschau­lich dar­stellen.

Koch und seinem Team gelingt mit diesem Forschungserfolg der ein­drück­liche Nach­weis, dass die ultra­schnellen, elek­tro­nischen und nukle­aren Dyna­miken von Teil­chen im Inneren von super­fluidem Helium beob­achtet und simu­liert werden können. Nach diesem Forschungs­erfolg denkt Koch aber schon an die Zukunft. „Heute experi­men­tieren wir noch mit ein­zelnen Atomen“, sagt der Forscher, „aber nach diesem Proof of Concept nähern wir uns mit großen Schritten der Anwend­bar­keit von Helium-Nano­tropfen für die Unter­suchung photo­indu­zierter Prozesse in bisher unbe­kannten oder fragilen moleku­laren System mit techno­lo­gischer oder bio­lo­gischer Rele­vanz.“

TU Graz / RK

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