Wenn schwarze Löcher kollidieren
Neue Einblicke in die Gravitationswechselwirkungen beantworten fundamentale Fragen der Physik.
Unter der Leitung von Jan Plefka vom Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin hat ein internationales Team die Dynamik aufeinandertreffender schwarzer Löcher mit bisher unerreichter mathematischer Präzision beschrieben. Ihre neue Studie liefert viel versprechende Einblicke in die Gravitationswechselwirkungen zwischen diesen Objekten in unserem Universum.
Wenn sich schwarze Löcher aufeinander zubewegen, werden Gravitationswellen emittiert – ein Phänomen, das Albert Einstein bereits 1915 in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben hat und das an Gravitationswellendetektoren wie dem Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory, kurz LIGO, in den USA auch schon beobachtet wurde. Das Team von Physikern der Humboldt-Universität, dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam und dem Cern hat nun die Streuung zweier schwarzer Löcher und die durch die Anziehungskraft zwischen beiden Massen entstehenden Wechselwirkungen hochpräzise berechnet. Dafür haben sie Methoden aus der Quantenfeldtheorie und der Teilchenphysik auf das klassische Zwei-Körper-Problem der Physik übertragen. Mit dieser Vorgehensweise, die modernste mathematische Integrationstechniken und Hochleistungsrechner erforderte, konnten sie eine ganz neue Ebene der Präzision erreichen.
„Die Lösung dieses Problems markiert eine neue Grenze für Mehrschleifen-Berechnungen und effektive Feldtheorie-Techniken“, sagt Jan Plefka, Leiter der Arbeitsgruppe Quantenfeld- und Stringtheorie am Berliner Institut für Physik. „Wir mussten jeden Aspekt optimieren, von der Erzeugung des Integranden bis hin zur Entwicklung neuer Integrationsmethoden“, ergänzt Benjamin Sauer, Doktorand in Plefkas Arbeitsgruppe. Insgesamt mussten etwa fünfhunderttausend 16-dimensionale Integrale, die den Streuwinkel beschreiben, auf 470 Masterintegrale reduziert werden, die dann berechnet wurden.
Mit ihren Berechnungen haben die Physiker eine näherungsweise Lösung des fundamentalen Zwei-Körper-Problems geliefert und zugleich die Grundlage für fortgeschrittene Gravitationswellenmodelle gelegt, die für Detektoren der nächsten Generation benötigt werden – so wie für die Laser Interferometer Space Antenna, LISA, einen Gravitationswellendetektor, den die Europäische Weltraumorganisation Esa im All aufbauen will. Die höhere Präzision wird extrem genaue Tests der Einstein‘schen Theorie und neue Einblicke in die Kern- und Gravitationsphysik von Doppelsystemen rotierender schwarzer Löcher ermöglichen.
„Unsere Ergebnisse bringen die Vorhersage von Gravitationswellen, die von Begegnungen zweier schwarzen Löchern ausgehen, auf eine noch nie dagewesene Genauigkeit“, sagt Gustav Uhre Jakobsen. „Dies eröffnet brillante neue Möglichkeiten, um Aussagen zu fundamentalen Fragen der Physik aus künftigen Gravitationswellenbeobachtungen zu extrahieren.“
HUB / JOL