18.12.2018

Wenn sich Atome zu nahe kommen

Neue Erkenntnisse über chemische Bindungs­kräfte.

Bei der Rasterkraftmikroskopie wird eine Oberfläche durch mecha­nisches Abtasten abge­bildet. Der Abtast­sensor besteht aus einem Feder­balken mit einer atomar scharfen Spitze. Der Feder­balken wird in eine Schwin­gung mit kon­stanter Ampli­tude ver­setzt und Frequenz­ände­rungen der Schwin­gung erlauben es, kleinste Kräfte im Piko­newton-Bereich zu messen.

Abb.: Atomar aufgelöstes Bild des Über­gangs einer Atom­lage des...
Abb.: Atomar aufgelöstes Bild des Über­gangs einer Atom­lage des Edel­gases Xenon (links) benach­bart von einer Atom­lage Argon (rechts; Bild: F. Huber, U. Regens­burg).

Da die Kräfte nicht direkt gemessen werden können, sondern durch Kraft­spektro­skopie über den Umweg einer Frequenz­ver­schie­bung bestimmt werden, ist ein Algo­rithmus zur Umrech­nung nötig. Dazu wurden bisher zwei ver­schie­dene Algo­rithmen ein­ge­setzt: das 2001 von Franz Gießibl vor­ge­schla­gene Matrix­ver­fahren und eine 2004 von John Sader und Suzie Jarvis ein­ge­führte Methode.

Ferdinand Huber von der Uni Regensburg, hat jetzt die Kräfte zwischen Atomen nicht nur in einem Abstand gemessen, wo sich die Atome noch anziehen sondern auch bei klein­sten Abständen, wo erheb­liche Abstoßungs­kräfte wirken. Dabei machte er eine über­raschende Ent­deckung: Die beiden Ver­fahren ergaben gravie­rende Unter­schiede in den ermit­telten Kräften.

Gemeinsam mit seinen Kollegen fand er den Grund für diese Diskre­panz und damit zugleich einen Aus­weg aus dieser Misere. Die Rück­rech­nung der Kräfte aus der Frequenz­ver­schie­bung ist ein aus der Mathe­matik wohl bekanntes inverses Problem. Inverse Probleme können aber, abhängig von den Rand­bedin­gungen, „schlecht gestellt“ und damit unlös­bar sein. Huber und seine Kollegen zeigen, dass das Problem der Inver­sion in einem bestimmten Bereich der Schwin­gungs­ampli­tude schlecht gestellt ist. Die Lösung besteht darin, die Schwin­gungs­ampli­tude ent­weder kleiner als einen bestimmten Wert – beispiels­weise einem halben Atom­durch­messer – oder größer als einen bestimmten Wert – etwa zwei Atom­durch­messer, abhängig jeweils vom exakten Kraft­ver­lauf – zu wählen. Die neuen Ergeb­nisse erlauben also, mit höchster Präzi­sion die chemischen Bindungs­kräfte zu messen, die die Welt zusammen halten.

U. Regensburg / RK

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