Wenn sich Atome zu nahe kommen
Neue Erkenntnisse über chemische Bindungskräfte.
Bei der Rasterkraftmikroskopie wird eine Oberfläche durch mechanisches Abtasten abgebildet. Der Abtastsensor besteht aus einem Federbalken mit einer atomar scharfen Spitze. Der Federbalken wird in eine Schwingung mit konstanter Amplitude versetzt und Frequenzänderungen der Schwingung erlauben es, kleinste Kräfte im Pikonewton-Bereich zu messen.
Da die Kräfte nicht direkt gemessen werden können, sondern durch Kraftspektroskopie über den Umweg einer Frequenzverschiebung bestimmt werden, ist ein Algorithmus zur Umrechnung nötig. Dazu wurden bisher zwei verschiedene Algorithmen eingesetzt: das 2001 von Franz Gießibl vorgeschlagene Matrixverfahren und eine 2004 von John Sader und Suzie Jarvis eingeführte Methode.
Ferdinand Huber von der Uni Regensburg, hat jetzt die Kräfte zwischen Atomen nicht nur in einem Abstand gemessen, wo sich die Atome noch anziehen sondern auch bei kleinsten Abständen, wo erhebliche Abstoßungskräfte wirken. Dabei machte er eine überraschende Entdeckung: Die beiden Verfahren ergaben gravierende Unterschiede in den ermittelten Kräften.
Gemeinsam mit seinen Kollegen fand er den Grund für diese Diskrepanz und damit zugleich einen Ausweg aus dieser Misere. Die Rückrechnung der Kräfte aus der Frequenzverschiebung ist ein aus der Mathematik wohl bekanntes inverses Problem. Inverse Probleme können aber, abhängig von den Randbedingungen, „schlecht gestellt“ und damit unlösbar sein. Huber und seine Kollegen zeigen, dass das Problem der Inversion in einem bestimmten Bereich der Schwingungsamplitude schlecht gestellt ist. Die Lösung besteht darin, die Schwingungsamplitude entweder kleiner als einen bestimmten Wert – beispielsweise einem halben Atomdurchmesser – oder größer als einen bestimmten Wert – etwa zwei Atomdurchmesser, abhängig jeweils vom exakten Kraftverlauf – zu wählen. Die neuen Ergebnisse erlauben also, mit höchster Präzision die chemischen Bindungskräfte zu messen, die die Welt zusammen halten.
U. Regensburg / RK