Wenn sich Sterne näher kommen
Dynamische Unregelmäßigkeiten bei der Entwicklung von Doppelsternen könnten Entstehung von Supernovae besser erklären.
Mehr als die Hälfte aller Sterne besitzt einen Begleiter, der die Entwicklung des jeweiligen Sterns stark beeinflussen kann. Die Wechselwirkung in diesen Doppelsternsystemen ist besonders stark, wenn beide durch eine Phase gehen, in der sie von einer gemeinsamen Hülle aus Wasserstoff und Helium umgeben sind. Da diese im Vergleich zur Entwicklungszeit von Sternen sehr kurze Phase jedoch nur schlecht beobachtet und somit auch verstanden werden kann, kommen theoretische Modelle mit aufwändigen Computersimulationen zum Einsatz. Die Erforschung dieses Phänomens ist unter anderem für das Verständnis von stellaren Ereignissen wie etwa Supernovae relevant.
Abb.: Die Bilder zeigen Schnitte durch das dreidimensionale Simulationsvolumen nach 105 Tagen in der gemeinsamen Hülle. In der orbitalen Ebene (oben) umkreisen der Begleitstern und der Riesenkern einander. Das Bild unten zeigt einen Schnitt senkrecht dazu. Der Maßstab beträgt hundert Sonnenradien. (Bild: S. Ohlmann, HITS)
Sebastian Ohlmann und seine Kollegen vom Heidelberger Institut für theoretische Studien erzielten jetzt mit Hilfe neuer Methoden einen Fortschritt in der Modellierung des Phänomens. Die Wissenschaftler konnten durch Simulationen dynamische Unregelmäßigkeiten entdecken, die während der Phase der gemeinsamen Hülle auftreten und die für die weitere Entwicklung des Doppelsternsystems wichtig sind. Die Instabilitäten verändern das Fließen der Materie innerhalb der Hülle, beeinflussen dadurch die Distanz der einzelnen Sterne zueinander und bestimmen somit zum Beispiel darüber, ob und welche Art Supernova entsteht.
Sobald im schwereren der beiden Sterne der Wasserstoff als Brennstoff für die Kernfusion verbraucht ist, schrumpft der Kern zusammen. Gleichzeitig bildet sich eine stark ausgedehnte Sternhülle bestehend aus Wasserstoff und Helium: Der Stern wird zu einem roten Riesen. Wenn sich die Hülle des roten Riesens immer stärker ausdehnt, zieht der Begleitstern durch seine Schwerkraft die Sternhülle zu sich, so dass ein Teil der Hülle zu ihm überfließt. Im Laufe dieses Prozesses kommen sich beide Sterne näher. Schließlich kann der Begleiter in die Hülle des Riesen fallen und beide werden von einer gemeinsamen Sternhülle umschlossen. Durch das Näherkommen des Riesenkerns und des Begleiters wird Energie aus der Schwerkraft zwischen beiden freigesetzt, die in die gemeinsame Hülle übertragen wird. Die Hülle wird dadurch ausgestoßen und vermischt sich mit der interstellaren Materie in der Galaxie. Zurück bleibt ein enges Doppelsternsystem aus dem Kern des Riesen und dem Begleitstern.
Warum diese Phase der gemeinsamen Hülle wichtig für das Verständnis der Entwicklung verschiedener Sternsysteme ist, erklärt Ohlmann so: „Je nach Ausgangssystem der gemeinsamen Hülle können sich in der weiteren Entwicklung sehr vielfältige Phänomene ergeben, wie etwa thermonukleare Supernovae.“ Ohlmann und seine Kollegen untersuchen die Vorgeschichte dieser Sternexplosionen, die zu den hellsten Ereignissen in unserem Universum zählen und eine ganze Galaxie überstrahlen können. Bei Modellierungen von Systemen, die zu solchen Sternexplosionen führen können, besteht jedoch eine große Unsicherheit in der Beschreibung der Phase einer gemeinsamen Sternhülle. Grund hierfür ist unter anderem, dass der Kern des Riesen tausend bis zehntausendmal kleiner als die Hülle ist, so dass die räumlichen und zeitlichen Skalenunterschiede die Modellierung erschweren und Näherungen erfordern. Die jetzt mit neuartigen Methoden durchgeführten Simulationen der Heidelberger Wissenschaftler sind ein erster Schritt zu einem besseren Verständnis dieser Phase.
HITS / RK