16.12.2016

Wie Algen schwimmen

Geißelbewegung mit hochauflösendem Tracking-Verfahren beob­achtet – Vor­bild für künst­liche Mikro­roboter.

Wie sich bewegliche Algen und andere Mikroschwimmer in Flüssig­keiten fort­bewegen, haben Experi­mental­physiker der Uni des Saar­landes gemein­sam mit Kollegen der TU Dresden und des MPI für Physik komplexer Systeme unter­sucht. Die Forscher setzten Grün­algen der Gattung Chlamydo­monas einer Gegen­strömung aus und erfassten die Bewe­gungen ihrer Geißeln mittels eines hoch­auf­lösenden Tracking-Verfahrens. Hieraus wurde ein Rechen­modell abge­leitet, das exakt vor­her­sagt, wie sich der Motor der Winz­linge unter Belas­tung verhält. Die Ergeb­nisse könnten dazu bei­tragen zu ver­stehen, wie sich künf­tig künst­liche Mikro­roboter im mensch­lichen Orga­nismus fort­bewegen könnten.

Abb.: Grünalge an der Spitze einer Mikro­pipette. Ihre Geißeln schlagen in einer Art Brust­schwimm­bewegung. (Bild: C. Ruloff, U. Saar­land)

Die Grünalgen bewegen sich mittels zweier beweg­licher Geißeln, der Flagellen, aktiv fort. „Jede Geißel besitzt in ihrem Inneren Zehn­tausende moleku­larer Motoren – jeweils einen Milli­onstel Zentimeter groß. Sie sitzen wie Perlen auf einer Schnur auf den einzelnen Protein-Strängen, aus denen die Geißel auf­gebaut ist“, erläu­tert Christian Ruloff, Dokto­rand bei Christian Wagner an der Uni des Saar­landes. Dieses Kollektiv moleku­larer Motoren verschiebt benach­barte Protein­stränge und biegt damit die ganze Geißel hin und her.

„Geißeln sind ein Bestseller der Natur: Auch Spermien und Pantoffel­tierchen benutzen schlagende Geißeln zur Fort­bewegung. Sie schlagen außerdem zu Tausenden im Gleich­takt auf der Innen­seite unserer Atem­wege und den mit Hirn­wasser gefüllten Hohl­räumen im Hirn, um Flüssig­keit zu pumpen“, sagt Benjamin Friedrich von der TU Dresden. Grün­algen mit ihren zwei Geißeln seien ein perfektes Modell­system, um grund­legende Fragen zu verstehen: Wie arbeiten die mole­ku­laren Motoren in der Geißel zusammen? Wie reagiert der Motor unter Last? Und wie einigen sich mehrere Geißeln auf einen gemein­samen Takt­schlag, wenn es keinen Diri­genten gibt?

Um herauszufinden, wie die Motoren der Grünalge genau funktio­nieren, testeten die Forscher den Algen­motor unter Belastung. „Zu diesem Zweck haben wir eine Art Mini­labor gebaut, in dem die Alge mit­hilfe einer Mikro­pipette in einem winzigen Strömungs­kanal festge­halten wird“, sagt Ruloff. „Setzen wir die Alge einer Gegen­strömung aus und lassen sie sozu­sagen fluss­auf­wärts schwimmen, so erhöht sich ihre Schlag­frequenz so lange, bis die Last für die Motoren zu hoch ist und die Schlag­bewegung auf­hört“, fasst Wagner die wichtigsten Beob­ach­tungen der Experi­mente zusammen. Wird die Gegen­strömung wieder redu­ziert, fängt die Zelle erneut an zu schwimmen. Diese Änderung des Geißel­schlags unter Last kann man mit einem Auto vergleichen, das am Hang lang­samer wird und bei zu starker Steigung schließ­lich nicht mehr den Berg hoch­kommt.

Um die Bewegung der Geißeln exakt zu erfassen, führten Ruloff und Gary Klindt vom MPI für Physik komplexer Systeme ein hoch­auf­lösendes Tracking-Verfahren durch: Dabei wurden hundert­tausende Foto­grafien der nur zwei Zehntel Mikro­meter dünnen Flagellen aufge­nommen, so dass ihre Form in jeder Phase der Bewegung nach­voll­zogen werden konnte. Hieraus kali­brierten die Wissen­schaftler ein Rechen­modell, mit dem sich exakt vorher­sagen lässt, wie sich der Motor als Funktion der ange­legten Gegen­strömung verhält. „Aus dieser Information konnten wir beispiels­weise bestimmen, dass die Effi­zienz der Algen­motoren nur zwanzig Prozent beträgt. Folglich werden achtzig Prozent der durch Photo­synthese gewon­nenen chemischen Energie nicht zur Fort­bewegung genutzt, sondern gehen als Wärme verloren“, erklärt Klindt. Im Vergleich dazu nutzt der Otto-Motor im Auto zwar vierzig Prozent des Treib­stoffs zur Fort­bewegung, aller­dings arbeitet er bei 1000 Grad Celsius, während bei der Alge die Umwand­lung von chemischer Energie in Arbeit bei Raum­tempe­ratur statt­findet. „Dieses Modell kann man auf andere sich bewegende Mikro­orga­nismen anwenden. In die Zukunft gedacht, kann es auch als Modell für die Bewegung von Mikro­robotern dienen, die beispiel­weise im mensch­lichen Orga­nismus einge­setzt werden könnten“, sagt Wagner.

UdS / RK

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen