Wie atomare Cluster entstehen und zerfallen
Erfolgreicher Einsatz des neu entwickelten Multireflexions-Flugzeit-Massenspektrometers.
Unter welchen Bedingungen bilden sich atomare Cluster? Wann und wie zerfallen sie? Diese Fragen haben jetzt Forscher der Uni Greifswald mit Hilfe eines neu entwickelten Multireflexions-Flugzeit-Massenspektrometers untersucht. Es ist eine wichtige Zukunftstechnologie zur Erforschung der Eigenschaften von Atomen.
Atomare Cluster sind zwischen Atomen und Festkörpern einzuordnen. Ihre Eigenschaften unterscheiden sich von denen einzeln auftretender Atome und sind abhängig von der Clustergröße. In größer werdenden Clustern können sich die physikalischen Eigenschaften kontinuierlich ändern. Manchmal erfolgt die Änderung aber auch sprunghaft. Paul Fischer hat die Eigenschaften von Bismut- und Indium-Clustern als Funktion ihrer Größe mit neuartigen Anwendungen der Multireflexions-Flugzeit-Massenspektrometrie untersucht. Mit den Experimenten ist die erste Realisierung einer Tandem-Multireflexions-Flugzeit-Massenspektrometrie gelungen. Dabei wurden zwei spektrometrische Anwendungen kombiniert: Zum einen wurden mit Hilfe des Spektrometers die Cluster ihrer Größe nach vorselektiert, zum anderen wurden die Reaktionsprodukte analysiert, die infolge von Laseranregung entstehen.
In einer ersten Messserie hat Fischer das Zerfallsverhalten von Bismut-Clustern in Abhängigkeit von der Größe der Zerfallsprodukte bestimmt. Darauf aufbauend, hat er diese Cluster zunächst mit Blei gedopt. Interessant war in diesem Zusammenhang, welche Bismut-Bruchstücke das Bleiatom beim Zerfall an sich binden. Beide Schritte, die Clusterselektion und die Elementanalyse, wurden jeweils mittels Multireflexion durchgeführt, um eine hohe Auflösung zu erzielen. In einem weiteren Experiment hat Fischer das zeitliche Zerfallsverhalten von Indium-Clustern beobachtet und Rückschlüsse auf die Bedingungen während der Clusterentstehung durch Laserbeschuss einer Probenoberfläche gezogen.
Die Massenspektrometrie ist eine weitverbreitete experimentelle Methode. Sie liefert in der Grundlagenforschung wichtige Erkenntnisse über die Zusammensetzung und Bindungsverhältnisse von Molekülen und atomaren Clustern. Bei der Flugzeit-Massenspektrometrie wird unterschiedlicher Masse mittels eines elektrischen Feldes die gleiche Bewegungsenergie gegeben. Die Ionen starten zeitgleich an einer Quelle und fliegen im Anschluss durch ein Vakuumgefäß zu einem Detektor. Die leichten Ionen kommen dort früher an als die schweren, wobei die Flugzeiten außerdem auch noch von der Ladung der Ionen abhängen. Am Detektor werden die jeweiligen Flugzeiten der unterschiedlich schweren Ionen registriert. Es entsteht ein Flugzeitspektrum, mit dessen Hilfe die Massen der Ionen identifiziert werden können. Je länger die Flugstrecke ist, die die Ionen verschiedener Masse zwischen Quelle und Detektor zurücklegen, desto mehr unterscheiden sich deren Ankunftszeiten und desto besser lassen sich einzelne Ionen voneinander unterscheiden.
Damit die Ionen auch im Labor lange Flugstrecken zurücklegen können, werden die Ionen in der Messapparatur des Teams der Uni Greifswald zwischen zwei ionenoptischen Spiegeln bis zu einige tausend Male hin und her reflektiert. Diese Multireflexion verlängert die Flugstrecke in einem Laborgerät von einem Meter auf bis zu einige Kilometern. Damit verbessert sich das Auflösungsvermögen auf Werte von einigen Hunderttausend. Das MR-ToF-Massenspektrometer kann zudem auch als eine Art Ionenfalle genutzt werden, die es erlaubt, Cluster über mehrere Umläufe zu verfolgen. Damit können, wie von den Forschern demonstriert, die Clusterzerfälle als Funktion der Zeit nach dem Laserbeschuss bestimmt werden. Dies erlaubt weitere Rückschlüsse über die Clustereigenschaften.
U. Greifswald / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
P. Fischer & L. Schweikhard: Decay-rate power-law exponent as link between dissociation energy and temperature, Phys. Rev. Res. 2, 043177 (2020); DOI: 10.1103/PhysRevResearch.2.043177 - Atom- und Molekülphysik (L. Schweikhard), Institut für Physik, Universität Greifswald