22.01.2020

Wie Atome sich binden

Das Entstehen einer atomaren Verbindung gefilmt.

Atome sind die Bausteine unserer Welt: Dabei ist die Frage, wie sich diese winzigen Teilchen verbinden und voneinander lösen, noch nicht vollständig beantwortet. Das Entstehen und Brechen dieser chemischen Verbindungen in Echtzeit festzuhalten, gehörte bislang zu den großen Heraus­forderungen der Bildgebung. Nun ist einer deutsch-britischen Forschergruppe um Ute Kaiser von der Universität Ulm das beinahe Unmögliche geglückt: Zum ersten Mal konnten sie mithilfe des Super­mikroskops Salve und winzigen Kohlenstoff-Nanoröhren das Entstehen und Vergehen einer chemischen Verbindung filmisch festhalten. Dabei ist dieses Bindeglied eine halbe Million Mal kleiner als die Breite eines menschlichen Haares.
 

Abb.: Das Molekül befindet sich zwischen zwei einwandigen...
Abb.: Das Molekül befindet sich zwischen zwei einwandigen Kohlenstoff­nanoröhren. (Bild: Material­wiss. Elektronen­mikroskopie)

Im Bewegtbild festzuhalten, wie atomare Verbindungen entstehen, galt bisher als unmöglich: Die Bindeglieder zwischen zwei Atomen haben nämlich lediglich einen Durchmesser von 0,1 bis 0,3 Nanometern. Doch nun ist Forschern um die Ulmer Mikroskopie-Expertin Ute Kaiser und Andrei Khlobystov von der University of Nottingham der Durchbruch geglückt: Mithilfe des einzigartigen Ulmer Trans­missions­elektronen­mikroskops Salve sowie winzigen Kohlenstoff-Nanoröhren konnten sie das Verhalten eines Atompaares in Echtzeit auf der atomaren Skala filmen. Bei den verwendeten Röhrchen handelt es sich um hohle Zylinder mit einem Durchmesser von einem bis zwei Nanometern. „Die Kohlenstoff-Nanoröhren helfen uns, Atome und Moleküle ,einzufangen‘ und sie nach unseren Wünschen zu positionieren“, erklärt Andrei Khlobystov. 

Für ihre Aufnahmen haben die Wissenschaftler zwei Atome des Übergangsmetalls Rhenium eingefangen und mit dem doppelt aberrations­korrigierten Trans­missions­elektronen­mikroskops Salve aufgenommen. Dabei erfüllt der Elektronenstrahl gleich zwei Aufgaben: Zum einen hilft der Strahl, die genaue Position der Atome darzustellen und zum anderen aktiviert er die chemische Reaktion. Dadurch ist es den Forschern bereits in der Vergangenheit gelungen, molekulare Reaktionen aufzunehmen. 

„Mit dem Salve-Mikroskop konnten wir jetzt die Dynamik der Rhenium-Atome in den Nanoröhrchen nachvollziehen. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die Länge der Verbindung schrittweise verändert“, beschreibt Ute Kaiser, Leiterin der Materialwissenschaftlichen Elektronenmikroskopie an der Universität Ulm. Darüber hinaus hat Kecheng Cao ein ungewöhnliches Phänomen beobachtet: Die Atome scheinen als Paar, im Gleichschritt, das Nanoröhrchen entlang zu laufen. „Die Paarbewegungen waren erstaunlich gut zu erkennen. Während die Atome das Röhrchen hinunter­wanderten wurde ihre Verbindung stärker oder schwächer – offenbar abhängig von der jeweiligen Umgebung“, erläutert Kecheng Cao. 

Mit der Kombination aus Trans­missions­elektronen­mikroskopie und Kohlenstoff-Nanoröhrchen ließ sich so im Bewegtbild festhalten, wie sich die Atome verbinden, voneinander lösen und womöglich eine erneue Verbindung zum Re2-Molekül eingehen. Weiterhin erhielten sie neue Einblicke in die Chemie der Übergangs­metalle: „Verbindungen von Metall-Atomen sind sehr wichtig in der Chemie – insbesondere wenn es um das Verständnis von magnetischen, elektronischen und katalytischen Material­eigenschaften geht. Dabei können Übergangsmetalle wie Rhenium verschiedene Arten von Verbindungen ausbilden. Im TEM-Experiment haben wir herausgefunden, dass Rhenium-Atome vor allem durch eine Vierfach-Verbindung gekoppelt sind“, sagt Stephen Skowron von der University of Nottingham.

Nach Einschätzung der Autoren haben sie weltweit erstmals das Entstehen und Brechen von Verbindungen auf der atomaren Ebene filmisch festgehalten. „Damit erweitern wir die Grenzen der molekularen Bildgebung: Künftig könnte die Elektronen­mikroskopie zu einer wichtigen Methode werden, um die Dynamik chemischer Reaktionen in Echtzeit zu untersuchen“, resümieren die Ute Kaiser und Andrei Khlobystov.

U. Ulm / DE
 

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