10.09.2025

Wie aus einer Superflüssigkeit zugleich ein Festkörper wird

Heidelberger Physiker weisen experimentell nach, dass extern getriebene Quantensysteme suprasolide Eigenschaften annehmen können.

Materie in der alltäglichen Welt ist entweder gasförmig, flüssig oder fest. In der Quantenmechanik ist es allerdings möglich, dass zwei unterschiedliche Zustände gleichzeitig existieren. So kann ein ultrakaltes Quantensystem simultan die Eigenschaften einer Flüssigkeit sowie eines Feststoffes aufweisen. Dieses Phänomen hat nun die Forschungsgruppe Synthetische Quantensysteme an der Universität Heidelberg auf eine neue Art experimentell nachgewiesen, indem sie ein wenig Energie in eine Supraflüssigkeit eingebracht hat. Wie sie gezeigt hat, breiten sich Schallwellen in einem solchen extern getriebenen Quantensystem mit zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus. Das weist auf nebeneinander existierende Zustände von flüssig und fest hin – ein Merkmal von Suprasolidität.

Schematische Darstellung von zwei Schallwellen, die sich durch einen Suprasolid...
Schematische Darstellung von zwei Schallwellen, die sich durch einen Suprasolid ausbreiten. Eine Schallwelle stört die kristalline Ordnung (durchgezogene Linie), während die andere das Suprafluid stört (gestrichelte Linie). Dieses Verhalten wurde nun in einem neuen Experiment beobachtet.
Quelle: U Heidelberg / Nikolas Liebster

Das überraschende und scheinbar widersprüchliche Verhalten, dass zwei verschiedene Materie­zustände gleichzeitig auftreten können, gibt es bei Raum­temperatur nicht. Doch bei ultratiefen Tempera­turen greift die Quanten­mechanik, und die Materie kann ganz andere Eigen­schaften aufweisen als gewöhnlich. Werden etwa Atome auf tiefe Tempera­turen abgekühlt, beginnt ihr wellen­förmiges Verhalten zu dominieren. Wenn sie nahe genug bei­einander sind, ver­schmelzen viele Teilchen zu einem Bose-Einstein-Kondensat. Dieser Zustand ist ein Supra­fluid – eine Flüssigkeit, die ohne Reibung fließt.

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Lode Pollet • 5/2017 • Seite 21

Kalte Atome in suprasolider Phase

Ein solches Suprafluid kann in seltenen Fällen auch periodische Modulationen der Dichte aufweisen. Sie werden durch äußere Kräfte angetrieben und führen dazu, dass eine Superflüssigkeit effektiv „kristallisiert“ und damit fest wird. Trotz der Kristallisation verhalten sich die Atome in diesem System jedoch immer noch als eine gemeinsame Welle und zeigen daher weiterhin superflüssige Eigenschaften. Das Phänomen der nebeneinander existierenden Zustände von flüssig und fest wird in der Quantenmechanik als suprasolid bezeichnet.

In Superflüssigkeiten können periodische Dichtemodulationen unter anderem dadurch erzeugt werden, dass das Suprafluid geschüttelt wird. Ähnlich wie das Rütteln an einem Wassereimer Oberflächenwellen hervorruft, wird in diesem Fall durch „Schütteln“ der Wechselwirkung zwischen den Atomen von außen Energie in das superflüssige System eingebracht. Es wird zu einem dynamischen, durch externen Einfluss getriebenen Quantensystem, das sich nicht mehr im Gleichgewicht befindet. Dass hier dennoch eine kristalline Ordnung auftreten kann, haben frühere Studien belegt. Welche Verbindung die Muster dieser Kristallisation zu Suprasolidität – zu Superfestkörpern – haben, wurde bisher experimentell nicht untersucht, wie Markus Oberthaler, Leiter der Forschungsgruppe Synthetische Quantensysteme, erläutert.

Ein besonderes Merkmal von Suprasoliden ist, dass sie zwei Arten von Schallwellen haben. Die eine Welle stört die Suprafluidität, die andere die kristalline Ordnung. Den Heidelberger Physikern ist es nun gelungen, beide Störungen getrennt voneinander experimentell auszulösen. In diesem Zusammenhang haben sie untersucht, wie sich die Schallwellen durch das getriebene Quantensystem bewegen. Wie sich dabei gezeigt hat, breiten sich die Defekte mit unter­schied­licher Geschwin­digkeit aus. Dies deutet darauf hin, dass das System sowohl die Eigen­schaften einer Flüssigkeit als auch eines Fest­körpers aufweist und damit supra­solid ist.

„Für uns ist es eine interes­sante Erkennt­nis, dass wir einer Supraflüssigkeit die Eigen­schaften eines Fest­körpers verleihen können, indem wir ein wenig Energie in das System einspeisen“, betont Ober­thaler. „Das angeregte Supra­fluid unterstützt Schwingungen wie ein fester Körper, in dem die Atome im Einklang um ihre Gleich­gewichts­positionen schwingen, wenn eine Schall­welle vorbeizieht“, erläutert der Wissen­schaftler.

Nach den Worten von Nikolas Liebster ist die Arbeit der erste Nachweis von supra­soliden Schall­wellen in einem System weit entfernt vom Gleich­gewicht. „Üblicher­weise werden Super­festkörper in der Gleich­gewichts­physik diskutiert. Das bedeutet, dass alles in der Zeit statisch ist. Jetzt schütteln wir das Supra­fluid und pumpen damit Energie hinein, und dabei stellt sich heraus, dass das Konzept der Supra­solidität auch fernab des Gleich­gewichts anwendbar ist“, sagt der Physiker, der Mitglied in Prof. Ober­thalers Forschungs­gruppe ist. [RKU / dre]

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