Wie dünne Schichten schwingen
Schwingungsverhalten von zweidimensionalen Schichten über Exziton-Phonon-Kopplungsstärke bestimmt.
Aktuelle elektronische Bauteile in Computern, Handys und vielen weiteren Geräten beruhen auf mikrostrukturierten Siliziumträgern. Bei dieser Technologie sind jedoch die physikalischen Grenzen des Machbaren und die kleinstmöglichen Strukturgrößen fast erreicht. Als neue Hoffnungsträger werden darum zweidimensionale Materialien intensiv erforscht. Man kann sich diese Materialien wie extrem dünne Folien vorstellen, die aus nur einer Schicht von Atomen bestehen. Am bekanntesten ist Graphen, eine atomar dünne Graphit-Schicht.
Während Graphen rein aus Kohlenstoff besteht, gibt es zahlreiche andere 2D-Verbindungen, die sich durch besondere optische und elektronische Eigenschaften auszeichnen. Unzählige potentielle Anwendungen dieser Verbindungen werden aktuell erforscht, etwa für den Einsatz in Solarzellen, in der Mikro- und Optoelektronik, in Verbundwerkstoffen, der Katalyse, in verschiedensten Arten von Sensoren und Lichtdetektoren, in der biomedizinischen Bildgebung oder beim Transport von Medikamenten im Organismus. Für die Funktion dieser 2D-Verbindungen nutzt man deren besondere Eigenschaften aus. „Dabei ist es wichtig zu wissen, wie sie auf Anregung mit Licht reagieren“, sagt Tobias Brixner, Leiter des Lehrstuhls für Physikalische Chemie I an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.
Prinzipiell werden 2D-Materialien genauso wie gewöhnliche Silizium-Solarzellen elektronisch angeregt, wenn ausreichend Lichtenergie auf sie trifft. Allerdings kann die Energie die atomar dünne Schicht zugleich in Schwingungen versetzen. Das wiederum beeinflusst die optoelektronischen Eigenschaften. Bislang war unbekannt, wie stark Licht solche Schwingungen in einem 2D-Material bei Raumtemperatur anregt. Nun ist es dem Team um Tobias Brixner in einer internationalen Kooperation gelungen, erstmals in einem 2D-Material – und zwar in einem Übergangsmetalldichalcogenid – bei Raumtemperatur die Stärke der Schwingungsanregung bei Lichtabsorption zu bestimmen.
„Diese im Fachjargon Exziton-Phonon-Kopplungsstärke genannte Größe ist schwierig zu ermitteln, da bei Raumtemperatur das Absorptionsspektrum sehr stark ‚ausgeschmiert‘ ist und keine einzelnen Spektrallinien getrennt werden können“, sagt der Physiker und Physikochemiker. Nun aber hat Postdoktorand Donghai Li in Würzburg die Methode der „kohärenten 2D-Mikroskopie“ entwickelte. Sie verknüpft die räumliche Auflösung eines Mikroskops mit der Femtosekunden-Zeitauflösung ultrakurzer Laserpulse und mit der mehrdimensionalen Frequenzauflösung. Damit konnte Li den Einfluss der Schwingungen quantifizieren.
Brixner erläutert: „Überraschenderweise zeigte sich, dass im untersuchten Material die Exziton-Phonon-Kopplungsstärke viel größer ist als in herkömmlichen Halbleitern. Diese Erkenntnis ist hilfreich bei der Weiterentwicklung von 2D-Materialien für konkrete Anwendungen.“
U. Würzburg / DE