05.06.2020 • Materialwissenschaften

Wie Elektrolyte metallisch werden

BESSY II-Experiment zeigt erstmals die Bildung eines metallischen Leitungsbandes in Elektrolyten.

In einem Metall bewegt sich ein Teil der äußeren Elektronen im Leitungs­band durch das kristalline Gitter. Daher leiten Metalle elektrischen Strom. Im Gegensatz zu Metallen sind in Elektro­lyten die Ionen ungeordnet und die Leit­fähig­keit nimmt sogar mit steigender Konzen­tration ab. Wie entsteht daher aus vielen einzelnen, gelösten Metall-Atomen im Elektro­lyten ein metallisches Verhalten? Wie genau und bei welcher Konzen­tration bildet sich ein Leitungs­band aus und wie verhalten sich die Orbitale dabei? Ein inter­nationales Team hat jetzt ein raffiniertes Experiment entwickelt, mit dem sich diese Vorgänge erstmals beobachten lassen.

Abb.: Die Theoretiker des Teams haben die Struktur des solvatisierten Elektrons...
Abb.: Die Theoretiker des Teams haben die Struktur des solvatisierten Elektrons im flüssigen Ammoniak aufwendig simuliert. (Bild: O. Maršálek & T. Martinek, U. Prag)

Im ersten Schritt stellten die Forscher Lösungen von Alkali-Metallen wie Lithium und Natrium in Ammoniak her. Dabei bilden sich positiv geladene Metall-Ionen und Elektronen gehen in Lösung. Diese Lösungen sind bei niedrigen Konzen­tra­tionen schwach blau, bei steigender Konzen­tration inten­siviert sich die blaue Farbe bis sie dann plötzlich zu einem goldenen Farbton umschlägt. Dieser Farb­wechsel hängt mit den Zuständen der gelösten Metall-Elektronen zusammen, vermuteten die Wissen­schaftler.

An der SOL³PES-Maschine an der Beamline U49/2-PGM-1 von Bessy II konnten die Forscher dann Mikrojets aus den Ammoniak-Lösungen mit unter­schied­lichen Alkali-Konzen­tra­tionen im Ultra­hoch­vakuum mittels Photo­elektronen-Spektro­skopie unter­suchen. Dabei mussten die Lösungen auf etwa minus sechzig Grad Celsius gekühlt werden. Bei dieser Temperatur ist Ammoniak flüssig und die Verdampfung hinreichend gering. Tatsächlich konnten sie so den Übergang vom Elektro­lyten zum Metall genau vermessen.

„Wir konnten zum ersten Mal das Photo­elektronen-Signal der über­schüssigen Elektronen in flüssigem Ammoniak einfangen. Wir beobachten einen Peak bei etwa zwei Elektronen­volt, der das Vorhanden­sein von gelösten Elektronen und Di-Elektronen anzeigt“, sagt Team-Mitglied Bernd Winter vom Fritz-Haber-Institut Berlin. Und Robert Seidel vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie ergänzt: „Das erklärt auch, warum die Lösung bei niedrigen und mittleren Metall-Konzen­tra­tionen zunächst blau ist. Die Lösung absorbiert Licht im roten Bereich, was dem Peak von 2 eV entspricht.“ Dadurch erscheint die Lösung schwach blau, solange es nur einzelne gelöste Elektronen gibt. Diese blaue Farbe inten­siviert sich noch mit dem Erscheinen von ersten Di-Elektronen. Mit zunehmender Alkali­metall-Konzen­tration wechselt die Farbe ins Goldene. Gleich­zeitig verbreitert sich der Peak zu einem Band mit der für Metalle charak­teris­tischen, scharfen Fermi-Kante im Spektrum sowie mit Signalen, die charak­te­ristisch für kollektive Anregungen freier Elektronen sind.

Die Forscher konnten die Messdaten so eindeutig inter­pretieren, weil Team-Mitglieder der Uni Prag die elektro­nische Struktur von solvati­sierten Elektronen in Lösung vorab modelliert hatten. Die berechneten Bindungs­energien passen sehr gut zu den experi­mentell ermittelten Werten. Die Arbeit liefert einen wichtigen Beitrag zum grund­legenden Verständnis des Über­gangs von nicht­leitendem zu metal­lischem Charakter in Elektrolyten. Dieses Verständnis ist auch für praktische Anwendungen hilfreich, so spielen solvati­sierte Elektronen in der organischen Chemie als Reduktions­mittel für aromatische Systeme eine Rolle, aber auch in Batterie-Elektro­lyten und Konden­satoren.

HZB / RK

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