02.03.2018

Wie fest zu flüssig wird

Detaillierte Beobachtung von Schmelz­vor­gängen bei Festkörpern.

Aus Eis wird Wasser, Butter zerläuft zu flüssigem Fett, Minerale ver­wandeln sich in trans­pa­rentes Glas – all diese Pro­zesse funktio­nieren nur, weil sich der Aggregat­zustand eines Aus­gangs­materials durch Erhitzen von fest in flüssig ver­ändert. Gemein­hin nennt man diesen Über­gang Schmelzen. Doch obwohl er all­gegen­wärtig ist, ist über­raschend wenig darüber bekannt, wie der Vor­gang auf der Ebene von Mole­külen und Atomen eigent­lich genau abläuft. Ein inter­natio­nales Forscher­team hat jetzt detail­liert beob­achtet, was beim Schmelzen genau passiert.

Abb.: Ein internationales Forscher­team um Lothar Wondra­czek von der Uni Jena hat den Vor­gang des Schmelzens von Fest­stoffen detail­liert auf­ge­klärt. (Bild: L. Wondraczek, FSU)

„In der Regel schmilzt ein Material von seiner Ober­fläche aus – Eis wird so beispiels­weise rutschig“, sagt Lothar Wondra­czek von der Uni Jena, einer der beteiligten Wissen­schaftler. „Doch unter bestimmten Bedin­gungen schmilzt ein Körper auch homogen, also im Ganzen.“ In den meisten bisher bekannten Fällen ist die Visko­sität der ent­stan­denen Flüssig­keit am Schmelz­punkt sehr niedrig, so dass der eigent­liche Schmelz­prozess äußerst schnell abläuft und sich nur schwer beob­achten lässt. Dem Team gelang es, sich den Schmelz­vor­gang quasi in Zeit­lupe anzu­schauen. Dabei deckten die Forscher auf, dass beim Über­gang von fest nach flüssig grund­sätz­lich zwei Schritte auf­ein­ander­folgen.

Erhöht man die Temperatur, so erreicht das System zunächst einen energe­tischen Zustand, der zufällig auf­tauchende gestörte Bereiche zur Folge hat. Aller­dings ohne dass die Teil­chen, aus denen das Kristall­gitter besteht, bereits größere Bewe­gungen vor­nehmen. Nur wenn diese Teil­chen im zweiten Schritt auch die Frei­heit erlangen, sich ver­stärkt und stetig über größere Strecken zu bewegen, ver­flüs­sigen sich die gestörten Bereiche. „In gewisser Weise muss die Flüssig­keit also erst tat­säch­lich flüs­sige Eigen­schaften erlangen, bevor der Schmelz­vor­gang abge­schlossen ist“, erklärt Wondra­czek. „Wenn man beispiels­weise Eis sehr schnell auf einige Grad Celsius erwärmt, so ist die Beweg­lich­keit der Teil­chen im flüs­sigen Zustand in aller Regel aller­dings so hoch, dass der zweite Teil der Reaktion aufgrund der hohen Geschwin­dig­keiten kaum separat beob­acht­bar ist.“

Für die Erkenntnisse der Forscher sind Experimente an Zeolithen ver­ant­wort­lich, Materi­alien mit sehr poröser Struktur. Die Wissen­schaftler konnten zeigen, dass diese in flüs­siger Form eine weitaus höhere Visko­sität als Wasser und sogar als zäher Honig besitzen. Zeo­lithe kommen in der Natur vor, werden aber auch in großer Menge künst­lich produ­ziert und finden viel­fältige Anwen­dungs­möglich­keiten, etwa in Wasch­mitteln oder Filtern. In unter­schied­lichen Experi­menten erhitzten die Wissen­schaftler die Zeo­lithe und beob­ach­teten gleich­zeitig, wie sich während­dessen die Material­eigen­schaften ver­ändern. „Der Schmelz­prozess läuft hierbei wesent­lich lang­samer ab, was uns ein Zeit­fenster im Minuten­bereich für unsere Beob­ach­tungen ermög­lichte“, so Wondra­czek. Mit den neuen Erkennt­nissen besteht nun die Mög­lich­keit, das Material auch während des Schmelz­pro­zesses in seiner Struktur fest­zu­halten und es so noch weiter modi­fi­zieren zu können.

Bedeutender für das Team ist jedoch, dass hier eine wichtige Lücke in der Grund­lagen­forschung geschlossen werden könnte. „Viele Wissen­schaftler aus ganz unter­schied­lichen Dis­zi­plinen, etwa aus den Geo­wissen­schaften, der Chemie und der Physik, haben sich dem Thema von ganz unter­schied­lichen Seiten genähert“, sagt Wondra­czek. „Wir glauben, dass wir nun auf dem Weg zu einer all­gemein­gültigen und über­grei­fenden Klärung dessen, was beim Schmelzen genau passiert, einen ent­schei­denden Schritt machen konnten.“

FSU / RK

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