24.06.2022

Wie hoch wächst ein Gebirge?

Neues Klassifizierungsschema für tektonische und Verwitterungsprozesse entwickelt.

Wissenschaftler haben ein neues Klassifizierungs­schema für Gebirgs­züge entwickelt, das mit nur einer einzigen Zahl beschreibt, ob die Höhe des Gebirges hauptsächlich durch Verwitterung und Erosion oder durch Eigenschaften der Erdkruste, also die Festigkeit der Lithosphäre, bestimmt wird: die Beaumont-Zahl (Bm). Sie ist nach Chris Beaumont benannt, einem Wissenschaftler, der zusammen mit seinem Team gekoppelte Modelle für Oberflächen­prozesse und tektonische Kräfte entwickelt hat.

 

Abb.: Blick auf das Puna-Plateau der zentralen Anden (Bild: Mitch DArcy / GFZ)
Abb.: Blick auf das Puna-Plateau der zentralen Anden (Bild: Mitch D'Arcy / GFZ)

Eine Beaumont-Zahl zwischen 0,4 und 0,5 bedeutet, dass sich das Gebirge in einem „flux steady state“ befindet, in dem die kontrollierenden Faktoren des Gebirgswachstums tektonische Kräfte und die Festigkeit der Lithosphäre sind, die durch Verwitterungs­prozesse ausgeglichen werden, wie zum Beispiel in Taiwan. Bei einem Bm-Wert unter 0,4 befinden sich die Berge ebenfalls in einem Flux-Steady-State, aber mit Erosion als steuerndem Faktor, wie die Südalpen Neuseelands. Eine Beaumont-Zahl über 0,5 bedeutet, dass die Berge noch wachsen (nicht-stabiler Zustand), wobei die Stärke der Lithosphäre den Prozess steuert. Beispiele für diesen Typ sind das Himalaya-Tibet-Gebirge und die zentralen Anden.

Mit dieser Klassifizierung wird eine seit langem offene Frage geklärt, ob nun tektonische Kräfte und die Stärke der Erdkruste die steuernden Faktoren für die Gebirgshöhen sind oder ob es Verwitterungs­prozesse sind. Der neuen Studie zufolge kann das eine oder das andere der Fall sein – je nach geografischer Lage, Klima und Untergrund­beschaffenheit.

Das Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Sebastian G. Wolf von der Universität Bergen in Norwegen verwendete für seine Studie ein neues, gekoppeltes Modell für Oberflächenprozesse und Tektonik, indem es das thermo­mechanische Tektonik­modell „Fantom“ mit dem Landschafts­entwicklungs­modell FastScape kombinierte. So konnten sie die hohen Erosionsraten in einigen aktiven Gebirgszügen mit dem Überdauern von Gebirgs­gürteln über Hunderte von Millionen Jahren in Einklang bringen.

Jean Braun vom Deutschen Geoforschungs­zentrum GFZ, einer der Koautoren der Studie, sagt: „Mit unserer Beaumont-Zahl können wir angeben, in welchem Verhältnis Tektonik, Klima und Krusten­festigkeit die Höhe von Gebirgs­gürteln steuern. Für die meisten Gebirgsgürtel ist dies ohne komplizierte Messungen oder Annahmen möglich; man muss lediglich die Konvergenz­rate aus heutigen Platten­geschwindigkeiten oder Plattenrekonstruktionen, die Höhe des Gebirges aus einer topografischen Karte und die Verbreiterungs­rate aus den geologischen Aufzeichnungen kennen. Kurz und knapp: Ob ein Berg niedrig oder hoch ist, ist das Ergebnis einer langsamen oder schnellen Platten­konvergenz, eines feuchten oder trockenen Klimas oder einer starken oder schwachen Kruste.“ Die Beaumont-Zahl zeigt an, welcher dieser drei Faktoren dominiert.

GFZ / DE

 

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