Wie Hummeln sich vor Spinnen schützen
Hummeln reagieren bei der Nahrungssuche in besonderer Art und Weise auf die Gegenwart von Beutejägern, wie eine mathematische Analyse ihres Flugverhaltens zeigt.
Hummeln besuchen bei der Nahrungssuche typischerweise mehrere Blüten in einem einzigen Blütenteppich. In welcher Art und Weise sie das in freier Natur genau tun ist Gegenstand kontroverser Diskussionen. Eine Hypothese besagt, dass für eine geringe Dichte zufällig verteilter Blüten Levy-Flüge eine mathematisch optimale Suchstrategie darstellen. Levy-Flüge basieren auf einer Zufallsbewegung, deren Sprungverteilung einem Potenzgesetz folgt – einer statistischen Verteilung, die beispielsweise auch zur Beschreibung der superdiffusiven Ausbreitung von Licht in bestimmten Suspensionen oder heißen Gasen und zur Analyse von Pandemien benutzt wird. Sie geben gerichteten Bewegungen über lange Distanzen ein größeres Gewicht, als das bei konventionellen Zufallsbewegungen der Fall ist. Dies führt dazu, dass weiter entfernte Futterquellen schneller gefunden werden. Auf der anderen Seite befinden sich Hummeln in freier Wildbahn unter permanenter Bedrohung durch Beutejäger wie z.B. Krabbenspinnen, die gut getarnt auf Blüten lauern. Die spannende Frage ist, inwieweit diese Bedrohung das Suchverhalten von Hummeln beeinflussen kann.
Abb.: Die Trajektorien der Hummeln können durch ein biophysikalisches Modell beschrieben werden, das durch die Brownsche Bewegung von Molekülen inspiriert ist. (Bild: F. Lenz)
In einem Laborexperiment untersuchte nun ein interdisziplinäres Forscherteam um den Physiker Rainer Klages und den Biologen Lars Chittka von der Queen Mary University of London, wie Hummeln einen Teppich künstlicher Blüten nach Nahrung absuchten. Dazu verwendeten die Forscher wieder auffüllbare Nektarquellen. Auf manchen der Blüten saßen künstliche Spinnen, die mit einem Spinnenbild und einem Fangmechanismus simuliert wurden, der die Hummeln für kurze Zeit festhielt. Die Hummelflüge wurden mit zwei Videokameras in 3D aufgezeichnet.
Das Team fand heraus, dass die Hummeln in Abwesenheit von Spinnen direkte Flüge von Blüte zu Blüte unternahmen und damit systematisch nach Nahrung suchten. In Anwesenheit von Spinnen waren die Flüge dagegen sehr viel „kurviger“ – eine vorsichtigere Suchvariante, um Spinnenfang zu vermeiden, wie die Forscher schätzen. Die Geschwindigkeitsverteilung änderte sich jedoch nicht. Diese sehr spezielle Änderung im Flugverhalten deuteten die Wissenschaftler als eine langreichweitige Wechselwirkung zwischen Hummel und Spinne.
Friedrich Lenz, der die zentrale Analyse durchgeführt hat, sagt: „Überraschenderweise ist die Häufigkeitsverteilung der Geschwindigkeiten der Hummelflüge völlig unabhängig davon, ob Beutejäger in der Nähe sind oder nicht. Die Hummeln reagieren auf Bedrohung durch Feinde speziell dadurch, wie sich die Geschwindigkeiten während eines Flugs zeitlich ändern.“
Die Analyse lege nahe, dass bei der Nahrungssuche in freier Wildbahn abgesehen von der Bedrohung durch Beutejäger zusätzliche Faktoren wie z.B. die Sinneswahrnehmung von Hummeln, ihr Gedächtnis und selbst die Individualität einzelner Hummeln berücksichtigt werden müssten, so die Forscher. All diese Faktoren stellten Quellen dar, die zu Abweichungen zwischen experimentellen Resultaten und auf einfachen unkorrelierten Zufallsbewegungen basierten mathematischen Modellen wie z.B. Levy-Fluegen führen könnten. Interessant wird es sein, bereits vorhandene Daten über das Nahrungsuchverhalten von anderen Tieren unter dem Aspekt zu untersuchen, diese nun von Hummeln bekannten spezifischen Änderungen in den zeitlichen Korrelationen der Gechwindigkeiten nachzuweisen. Vielleicht haben die Biologen ihre Daten bislang nur auf eine eingeschränkte Art analysiert.
U. London/Rainer Klages / PH