Wie Magnetare entstehen
Neue Theorie zur Genese von Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern.
Magnetare sind Neutronensterne mit den stärksten Magnetfeldern, die im Universum gemessen werden – ihr Ursprung ist aber umstritten. Ein Team von Wissenschaftlern aus Paris und dem Max-Planck-Institut für Astrophysik kann die Entstehung dieser gigantischen Felder nun durch Verstärkung anfänglich vorhandener, schwacher Felder erklären, wenn die Neutronensterne, die in kollabierenden massereichen Sternen entstehen, schnell rotieren. Die Ergebnisse beruhen auf einem neuartigen Computermodell. Sie öffnen neue Perspektiven, um die stärksten und leuchtkräftigsten Sternexplosionen zu verstehen.
Neutronensterne – extrem kompakte und extrem dichte Sternleichen – vereinen zwischen einer und zwei Sonnenmassen in einem Radius von etwa zwölf Kilometern. Magnetare bilden eine spezielle Klasse dieser Sterne, die sich durch starke Ausbrüche von Röntgen- und Gammastrahlen auszeichnen. Die Energie für diese Strahlungsausbrüche stammt wahrscheinlich von ultrastarken Magnetfeldern. Aufgrund einer starken magnetischen Abbremsung sollten Magnetare ihre Rotation deutlich schneller verlangsamen als andere Neutronensterne; Messungen der Veränderung ihrer Rotationsperiode bestätigen dieses Szenario. Man kann deshalb folgern, dass Magnetare ein Dipol-Magnetfeld in der Größenordnung von 1015 Gauss haben. Das ist bis zu 1000 Mal stärker als bei typischen Neutronensternen. Doch auch wenn die Existenz dieser enormen Magnetfelder inzwischen gut bekannt ist, bleibt ihr Ursprung umstritten.
Neutronensterne bilden sich normalerweise, wenn der Eisenkern eines massereichen Sterns mit mehr als neun Sonnenmassen kollabiert – die äußeren Schichten des Sterns werden dabei in einer gigantischen Explosion, einer Kernkollaps-Supernova, in den interstellaren Raum ausgestoßen. Einige Theorien gehen daher davon aus, dass Neutronensterne und Magnetare ihre Magnetfelder von ihren Vorgängersternen vererbt bekommen und somit die Felder vollständig durch die Magnetisierung des Eisenkerns vor dem Kollaps bestimmt sein könnten. Das Problem bei dieser Hypothese ist jedoch, dass starke Magnetfelder in den Sternen die Rotation des Sternkerns stark verlangsamen können und die daraus entstandenen Neutronensterne dann nur langsam rotieren würden.
„Wir könnten damit die enormen Energien von Hypernova-Explosionen und von langen Gammastrahlenblitzen nicht erklären, bei denen schnell rotierende Neutronensterne oder schnell rotierende Schwarze Löcher als zentrale Quellen der riesigen Energiemengen gelten", sagt H.-Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik. Ein alternativer Mechanismus, bei dem die extremen Magnetfelder während der Entstehung des Neutronensterns selbst erzeugt werden können, erscheint daher wahrscheinlicher. In den ersten Sekunden nach dem Kernkollaps des Sterns kühlt der neugeborene, heiße Neutronenstern ab, indem er Neutrinos emittiert. Diese Kühlung löst im Innern starke konvektive Massenströme aus, ähnlich dem Sprudeln von kochendem Wasser. Solche heftigen Bewegungen der Materie könnten ein bereits bestehendes, schwaches Magnetfeld verstärken. Dieser Feld-verstärkende Effekt ist beispielsweise aus dem flüssigen Eisenkern der Erde oder der konvektiven Hülle der Sonne bekannt und wird als Dynamo-Effekt bezeichnet.
Um diese Möglichkeit für Neutronensterne zu testen, simulierte das Forscherteam die Konvektion in einem neugeborenen, sehr heißen und schnell rotierenden Neutronenstern mit der Hilfe von Supercomputern. Tatsächlich fanden die Wissenschaftler durch ihren neuen Modellierungsansatz, der detaillierter und genauer ist als alle früheren, dass anfangs schwache Magnetfelder bis zu Werten von 1016 Gauss verstärkt werden können, wenn die Rotation des Neutronensterns ausreichend schnell ist. „Unsere Modelle zeigen, dass Rotationsperioden unter etwa acht Millisekunden entscheidend für die Erzeugung solch enormer Feldstärken sind”, bestätigt Raphaël Raynaud vom CEA in Saclay. „Wir sehen dann eine zweite Phase der Feldverstärkung, die nicht auftritt, wenn sich die Neutronensterne langsamer drehen.“
Zusätzlich zu den neuen Einsichten in die Entstehung von Magnetaren in unserer Galaxie, öffnen diese Ergebnisse auch neue Wege, um die stärksten und leuchtkräftigsten Explosionen massereicher Sterne im Universum besser zu verstehen. So strahlen beispielsweise superhelle Supernovae hundertmal mehr Licht aus als gewöhnliche Supernovae, und die als Hypernovae bezeichneten Sternexplosionen besitzen eine zehnfach höhere kinetische Energie und gehen manchmal auch mit einem Gammastrahlenblitz von mehreren zehn Sekunden Dauer einher. Für diese außergewöhnlichen Explosionen muss man sich Prozesse vorstellen, die weit extremer als die normalen Vorgänge sind und einer „zentralen Maschine” enorme Energiemengen entziehen müssen.
Das „Millisekunden-Magnetar“-Szenario ist derzeit eines der vielversprechendsten Modelle für die zentrale Maschine solcher Extremereignisse. Dabei liefert die Rotationsenergie des schnell rotierenden Neutronensterns das zusätzliche Energiereservoir, das die Leistung der Explosion erhöht. Durch das gigantisch starke magnetische Dipolfeld kann die Rotationsenergie des Neutronensterns sehr effizient auf die Explosion übertragen werden. „Damit dieser Mechanismus so funktioniert, muss die Feldstärke in der Größenordnung von 1015 Gauss liegen“, erklärt Jerome Guilet vom CEA in Saclay. „Dies entspricht den Werten, die von konvektiven Dynamos für Rotationsperioden im Millisekundenbereich erreicht werden.“ Die größte Schwäche des Millisekunden-Magnetar-Szenarios war bisher die Ad-hoc-Annahme eines extrem starken Magnetfeldes, unabhängig von der schnellen Rotation des Neutronensterns. Die jetzt erzielten Ergebnisse liefern somit theoretischen Rückenwind für das Szenario einer zentralen Maschine als Antrieb der stärksten Sternexplosionen, die im Universum beobachtet werden.
MPA / JOL