16.03.2020

Wie Magnetare entstehen

Neue Theorie zur Genese von Neutronensterne mit extrem starken Magnetfeldern.

Magnetare sind Neutronen­sterne mit den stärksten Magnetfeldern, die im Universum gemessen werden – ihr Ursprung ist aber umstritten. Ein Team von Wissen­schaftlern aus Paris und dem Max-Planck-Institut für Astrophysik kann die Entstehung dieser gigan­tischen Felder nun durch Verstärkung anfänglich vorhandener, schwacher Felder erklären, wenn die Neutronensterne, die in kollabierenden masse­reichen Sternen entstehen, schnell rotieren. Die Ergebnisse beruhen auf einem neuartigen Computer­modell. Sie öffnen neue Perspektiven, um die stärksten und leucht­kräftigsten Stern­explosionen zu verstehen.

Abb.: 3D-Moment­aufnahmen der Magnet­feldlinien in der konvek­tiven Zone im...
Abb.: 3D-Moment­aufnahmen der Magnet­feldlinien in der konvek­tiven Zone im Inneren eines neuge­borenen Neutronen­sterns. Die blauen (roten) Flächen stellen nach innen (außen) gerichtete Plasma­strömungen dar. (Bild: CEA Saclay)

Neutronen­sterne – extrem kompakte und extrem dichte Sternleichen – vereinen zwischen einer und zwei Sonnen­massen in einem Radius von etwa zwölf Kilometern. Magnetare bilden eine spezielle Klasse dieser Sterne, die sich durch starke Ausbrüche von Röntgen- und Gammastrahlen auszeichnen. Die Energie für diese Strahlungs­ausbrüche stammt wahr­scheinlich von ultrastarken Magnetfeldern. Aufgrund einer starken magne­tischen Abbremsung sollten Magnetare ihre Rotation deutlich schneller verlangsamen als andere Neutronen­sterne; Messungen der Veränderung ihrer Rotations­periode bestätigen dieses Szenario. Man kann deshalb folgern, dass Magnetare ein Dipol-Magnetfeld in der Größenordnung von 1015 Gauss haben. Das ist bis zu 1000 Mal stärker als bei typischen Neutronen­sternen. Doch auch wenn die Existenz dieser enormen Magnet­felder inzwischen gut bekannt ist, bleibt ihr Ursprung umstritten.

Neutronen­sterne bilden sich normaler­weise, wenn der Eisenkern eines masse­reichen Sterns mit mehr als neun Sonnenmassen kollabiert – die äußeren Schichten des Sterns werden dabei in einer gigantischen Explosion, einer Kernkollaps-Supernova, in den inter­stellaren Raum ausgestoßen. Einige Theorien gehen daher davon aus, dass Neutronen­sterne und Magnetare ihre Magnetfelder von ihren Vorgänger­sternen vererbt bekommen und somit die Felder vollständig durch die Magne­tisierung des Eisenkerns vor dem Kollaps bestimmt sein könnten. Das Problem bei dieser Hypothese ist jedoch, dass starke Magnet­felder in den Sternen die Rotation des Sternkerns stark verlangsamen können und die daraus entstandenen Neutronen­sterne dann nur langsam rotieren würden.

„Wir könnten damit die enormen Energien von Hypernova-Explosionen und von langen Gammastrahlen­blitzen nicht erklären, bei denen schnell rotierende Neutronen­sterne oder schnell rotierende Schwarze Löcher als zentrale Quellen der riesigen Energie­mengen gelten", sagt H.-Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik. Ein alternativer Mechanismus, bei dem die extremen Magnetfelder während der Entstehung des Neutronen­sterns selbst erzeugt werden können, erscheint daher wahr­scheinlicher. In den ersten Sekunden nach dem Kernkollaps des Sterns kühlt der neugeborene, heiße Neutronen­stern ab, indem er Neutrinos emittiert. Diese Kühlung löst im Innern starke konvektive Massenströme aus, ähnlich dem Sprudeln von kochendem Wasser. Solche heftigen Bewegungen der Materie könnten ein bereits bestehendes, schwaches Magnetfeld verstärken. Dieser Feld-verstärkende Effekt ist beispiels­weise aus dem flüssigen Eisenkern der Erde oder der konvek­tiven Hülle der Sonne bekannt und wird als Dynamo-Effekt bezeichnet.

Um diese Möglichkeit für Neutronen­sterne zu testen, simulierte das Forscherteam die Konvektion in einem neugeborenen, sehr heißen und schnell rotierenden Neutronen­stern mit der Hilfe von Super­computern. Tatsächlich fanden die Wissen­schaftler durch ihren neuen Modellierungs­ansatz, der detaillierter und genauer ist als alle früheren, dass anfangs schwache Magnetfelder bis zu Werten von 1016 Gauss verstärkt werden können, wenn die Rotation des Neutronen­sterns ausreichend schnell ist. „Unsere Modelle zeigen, dass Rotations­perioden unter etwa acht Millisekunden entscheidend für die Erzeugung solch enormer Feldstärken sind”, bestätigt Raphaël Raynaud vom CEA in Saclay. „Wir sehen dann eine zweite Phase der Feld­verstärkung, die nicht auftritt, wenn sich die Neutronensterne langsamer drehen.“

Zusätzlich zu den neuen Einsichten in die Entstehung von Magnetaren in unserer Galaxie, öffnen diese Ergebnisse auch neue Wege, um die stärksten und leuchtkräftigsten Explosionen masse­reicher Sterne im Universum besser zu verstehen. So strahlen beispielsweise superhelle Supernovae hundertmal mehr Licht aus als gewöhnliche Supernovae, und die als Hypernovae bezeichneten Stern­explosionen besitzen eine zehnfach höhere kinetische Energie und gehen manchmal auch mit einem Gammastrahlen­blitz von mehreren zehn Sekunden Dauer einher. Für diese außer­gewöhnlichen Explosionen muss man sich Prozesse vorstellen, die weit extremer als die normalen Vorgänge sind und einer „zentralen Maschine” enorme Energiemengen entziehen müssen.

Das „Milli­sekunden-Magnetar“-Szenario ist derzeit eines der vielver­sprechendsten Modelle für die zentrale Maschine solcher Extrem­ereignisse. Dabei liefert die Rotations­energie des schnell rotierenden Neutronen­sterns das zusätzliche Energie­reservoir, das die Leistung der Explosion erhöht. Durch das gigantisch starke magnetische Dipolfeld kann die Rotations­energie des Neutronensterns sehr effizient auf die Explosion übertragen werden. „Damit dieser Mechanismus so funktioniert, muss die Feldstärke in der Größenordnung von 1015 Gauss liegen“, erklärt Jerome Guilet vom CEA in Saclay. „Dies entspricht den Werten, die von konvektiven Dynamos für Rotations­perioden im Millisekunden­bereich erreicht werden.“ Die größte Schwäche des Milli­sekunden-Magnetar-Szenarios war bisher die Ad-hoc-Annahme eines extrem starken Magnetfeldes, unabhängig von der schnellen Rotation des Neutronen­sterns. Die jetzt erzielten Ergebnisse liefern somit theo­retischen Rückenwind für das Szenario einer zentralen Maschine als Antrieb der stärksten Stern­explosionen, die im Universum beobachtet werden.

MPA / JOL

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