Wie magnetisch ist Helium-3?
Erste direkte Kalibrierung für 3He-Kernspin-Resonanz-Sonden.
In einer gemeinsamen experimentell-theoretischen Studie haben Wissenschaftler des MPI für Kernphysik zusammen mit Mitarbeitern des RIKEN in Japan die magnetischen Eigenschaften des Isotops Helium-3 untersucht. Zum ersten Mal gelang es, die elektronischen und nuklearen g-Faktoren des 3He+-Ions direkt mit einer relativen Genauigkeit von 10-10 zu messen. Mit einer um zwei Größenordnungen verbesserten Genauigkeit wurde die magnetische Wechselwirkung zwischen Elektron und Kern bestimmt. Eine genaue Berechnung der elektronischen Abschirmung ergab den g-Faktor des nackten 3He-Kerns. Die Ergebnisse stellen die erste direkte Kalibrierung für 3He-Kernspinresonanzsonden dar.
Die genaue Kenntnis der magnetischen Eigenschaften von Materie auf atomarer und nuklearer Ebene ist sowohl für die Grundlagenphysik als auch für Anwendungen wie Kernspinresonanzsonden von großer Bedeutung. Geladene Teilchen mit Spin wirken wie eine winzige Magnetnadel. Die Proportionalität zwischen magnetischem Moment und Spin ist durch den g-Faktor gegeben, der eine Eigenschaft des jeweiligen Teilchens und seiner Umgebung ist. Ein atomarer oder nuklearer Drehimpuls ist quantisiert. Insbesondere kann der Spin des Elektrons – wie auch der des Kerns – in 3He entweder parallel oder antiparallel zu einem äußeren Magnetfeld ausgerichtet sein.
Die magnetische Wechselwirkung von 3He ist dreifach: In einem äußeren Magnetfeld kann das magnetische Moment des Elektrons oder des Kerns parallel oder antiparallel zu den Feldlinien ausgerichtet sein. Hinzu kommt die magnetische Wechselwirkung zwischen Elektron und Kern. Das führt zu insgesamt vier Energieniveaus, die von der Orientierung des Elektronen- und Kernspins abhängen. Mikrowellenstrahlung kann Übergänge zwischen diesen Niveaus – entsprechend einem Spin-Flip – resonant induzieren. Das ermöglicht eine hochpräzise Messung der Resonanzfrequenzen, aus der sich die g-Faktoren sowie die Hyperfeinaufspaltung für ein gegebenes Magnetfeld direkt ableiten lassen.
Für das Experiment nutzten die Forscher eine Einzel-Ionen-Penningfalle, um über die genaue Bestimmung der Zyklotronfrequenz des gefangenen Ions die Übergangsfrequenzen zwischen den Hyperfeinzuständen und gleichzeitig das Magnetfeld zu messen. Die Falle befindet sich in einem supraleitenden 5,7-Tesla-Magneten und besteht aus zwei Teilen: einer Präzisionsfalle für die Messung der Ionenfrequenzen und der Wechselwirkung mit der Mikrowellenstrahlung und einer Analysefalle zur Bestimmung des Hyperfeinzustands. Für jeden Übergang erreicht die Spin-Flip-Rate bei Resonanz ein Maximum. Die g-Faktoren und die feldfreie Hyperfeinaufspaltung werden dann aus der Analyse der Resonanzkurven extrahiert. Der neue Versuchsaufbau verbessert die Genauigkeit der g-Faktoren um den Faktor 10.
„Um aus dem gemessenen Kern-g-Faktor in 3He2+ den g-Faktor des nackten Kerns in 3He+ zu extrahieren, muss man die diamagnetische Abschirmung des Elektrons berücksichtigen, also seine magnetische Reaktion auf das äußere Feld“, erklärt Bastian Sikora vom MPIK. Die Theoretiker bestimmten den Abschirmungsfaktor mit hoher Präzision durch hochgenaue quantenelektrodynamische Berechnungen. Im gleichen theoretischen Rahmen berechneten sie auch den g-Faktor für gebundene Elektronen für 3He+ und die Nullfeld-Hyperfeinaufspaltung.
Alle theoretischen und experimentellen Ergebnisse stimmen im Rahmen der jeweiligen Genauigkeit überein, die für die experimentelle Nullfeld-Hyperfeinaufspaltung um zwei Größenordnungen verbessert werden konnte. Aus letzter ließ sich ein Kernparameter, der Zemach-Radius, extrahieren, der die Kernladungs- und Magnetisierungsverteilung charakterisiert.
Für die Zukunft planen die Forscher, die Messungen zu verbessern, indem sie die magnetische Inhomogenität der Präzisionsfalle verringern und genauere Magnetfeldmessungen durchführen. Die neue Messmethode ist auch zur Bestimmung des magnetischen Kernmoments anderer wasserstoffähnlicher Ionen geeignet. Ein nächster Schritt ist die direkte Messung des magnetischen Moments des nackten 3He-Kerns in einer Penningfalle mit einer relativen Genauigkeit in der Größenordnung von 1 ppb oder besser mittels sympathischer Laserkühlung.
MPIK / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Schneider et al.: Direct measurement of the 3He+ magnetic moments, Nature, online 8. Juli 2022; DOI: 10.1038/s41586-022-04761-7 - Gespeicherte und gekühlte Ionen, Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg