Wie Magnetismus entsteht
Ursächliche Wechselwirkung zwischen einzelnen Elektronen sichtbar gemacht.
Magnetische Materialien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Das Phänomen ist seit rund 3000 Jahren bekannt und für viele technische Anwendungen von Bedeutung, vom Kompass über den Elektromotor bis zum Datenspeicher. Die ferromagnetischen Eigenschaften werden durch eine kollektive Ausrichtung der Elektronenspins erzeugt. Doch wie dieser Prozess genau abläuft, ließ sich bis jetzt nicht direkt beobachten. Doch nun ist es Forschern der Universität Halle und des Forschungszentrums Jülich zum ersten Mal gelungen, in Kobalt die Wechselwirkung zwischen einzelnen Elektronen sichtbar zu machen, die letztlich zur Ausbildung der magnetischen Eigenschaften führt.
Abb.: Die Messung mit dem Impulsmikroskop zeigt die Verteilung der Majoritäts-Spinzustände in rot und der Minoritäts-Spinzustände in blau für Elektronen mit unterschiedlicher Energie. (Bild: FZJ / C. Tusche et al., Nat. Commun., DOI: 10.1038/s41467-018-05960-5, CC-BY 4.0)
Der Elektronenspin ist so etwas wie das quantenmechanische Pendant der Drehung eines Elektrons um sich selbst. Dabei sind nur zwei Spinzustände möglich. In unmagnetischen Materialien treten beide Spinzustände ungefähr gleich häufig auf. Magnetische Materialien zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass die Spins mehrheitlich in eine Richtung zeigen. Die Messung der Spinzustände brachte nun ein durchaus überraschendes Ergebnis: „Bis jetzt war nicht ganz klar, dass die Wechselwirkungen in magnetischen Materialien, die dafür sorgen, dass sich die Elektronenspins einheitlich ausrichten, eine gewisse Ausdehnung haben“, berichtet Christian Tusche vom Jülicher Peter Grünberg Institut. „In klassischen Modellen nimmt man an, dass jedes Elektron nur lokal mit seinen nächsten Nachbarn wechselwirkt. Aber wir sehen jetzt ganz deutlich, dass es auch durch Elektronen weiter weg beeinflusst wird. Das wird unser Verständnis vom Magnetismus verändern.“
Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher das NanoESCA-Mikroskop in Triest. „Normalerweise werden Elektronenmikroskope dazu verwendet, stark vergrößerte Bilder einer Probe zu erhalten. Das NanoESCA liefert dagegen auch anders geartete Aufnahmen, in diesem Fall eine Art Landkarte der Geschwindigkeitsverteilung der Leitungselektronen, die auch den Spin der Elektronen zeigt“, erklärt Christian Tusche. Ermöglicht wird dies durch spezielle Eigenschaften des Synchrotronlichts, wie etwa die Durchstimmbarkeit der Wellenlänge, die es erlauben, den Impuls der Leitungselektronen und deren Polarisation, also praktisch die Geschwindigkeit und den Spinzustand, sehr genau zu erfassen.
Mit dem neuartigen Verfahren der spinauflösenden Impulsmikroskopie konnten die Forscher nun zum ersten Mal die vorherrschenden Majoritäts- und die selteneren Minoritäts-Spinzustände in einem magnetischen Material differenziert erfassen. Dies wiederum ist die Voraussetzung dafür, um die Wechselwirkung zwischen einzelnen Elektronen zu bestimmen, die zur kollektiven Ausrichtung der Elektronenspins und damit zur Entstehung des Magnetismus führt.
FZJ / JOL