19.08.2025 • Astrophysik

Wie Molekülreaktionen die Entstehung der ersten Sterne beeinflussten

Forschende haben Reaktionen von HeH+ mit Wasserstoff-Atomen erstmals unter Bedingungen des frühen Universums untersucht und signifikante Abweichungen zu bisherigen Theorien festgestellt.

Das älteste Molekül des Universums ist das Heliumhydrid-Ion HeH+, das sich aus einem neutralen Heliumatom und einem ionisierten Wasserstoffkern bildete. Es markiert den Beginn einer Reaktionskette hin zur Bildung von molekularem Wasserstoff H2, dem mit Abstand häufigsten Molekül im Weltall.

Reaktionsschema und Energieverlauf der untersuchten Reaktion des...
Reaktionsschema und Energieverlauf der untersuchten Reaktion des Helium-Hydrid-Ions mit Deuterium. Es handelt sich dabei um eine schnelle und barrierefreie Reaktion, anders als bisherige Theorien vermuteten. Hintergrund: Der planetarische Nebel NGC 7027, in rot ist molekularer Wasserstoff sichtbar.
Quelle: MPIK; Hintergrund: W. B. Latter (SIRTF Science Center/Caltech) and NASA

Nach der Rekombination folgte das Dunkle Zeitalter der Kosmologie – das Universum war nach der Bindung der freien Elektronen nun zwar lichtdurchlässig, lichtstarke Objekte wie Sterne gab es aber noch nicht. Bis zur Entstehung der ersten Sterne vergingen noch mehrere hundert Millionen Jahre.

Moleküle im All

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Doch gerade in dieser Frühphase des Universums waren einfache Moleküle wie HeH+ und H2 für die Bildung der ersten Sterne unabdingbar: um die sich zusammenziehe Gaswolke eines Protosterns soweit kollabieren zu lassen, dass eine Kernfusion einsetzen kann, muss Wärme abgeführt werden. Dies geschieht über Kollisionen, die Atome und Moleküle anregen, welche diese Energie im Anschluss durch Photonen abstrahlen. Unterhalb von etwa zehntausend Grad wird dieser Prozess aber sehr ineffektiv für die zahlenmäßig dominanten Wasserstoff-Atome. Eine weitere Kühlung kann nur über Moleküle stattfinden, die über Rotationen und Schwingungen zusätzlich Energie abstrahlen können. Das HeH+ Ion erweist sich hier aufgrund seines ausgeprägten Dipolmoments als besonders effektiv bei diesen kühleren Temperaturen und wird daher schon lange als potentiell wichtiger Kandidat für die Kühlphase bei der Entstehung der ersten Sterne gehandelt. Die Konzentration des Helium-Hydrid-Ions im Universum hat damit möglicherweise signifikanten Einfluss auf die Effektivität der frühen Sternentstehung.

In dieser Zeitspanne stellte die Kollision mit freien Wasserstoffatomen einen Hauptabbauweg für HeH+ dar, wobei sich ein neutrales Heliumatom sowie ein H2+-Ion bildeten, das sich im nachfolgenden mit einem weiteren H-Atom zu einem neutralen H2-Molekül und einem Proton umwandelte, und so zur Entstehung von molekularem Wasserstoff führte.

Am Max-Planck-Institut für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg haben Forschende nun erstmals diese Reaktion unter ähnlichen Bedingungen wie im frühen Universum rekonstruiert. Sie untersuchten dazu die Reaktion von HeH+ mit Deuterium, einem Isotop von Wasserstoff, welches im Atomkern neben einem Proton ein zusätzliches Neutron beinhaltet. Bei der Reaktion von HeH+ mit Deuterium bildet sich neben einem neutralen Helium-Atom statt H2+ ein HD+-Ion.

Durchgeführt wurde das Experiment am Kryogenen Speicherring CSR am MPIK in Heidelberg, einem weltweit einmaligen Instrument zur Untersuchung molekularer und atomarer Reaktionen unter Weltraum-Bedingungen. Dazu wurden HeH+-Ionen in dem Ionenspeicherring von 35 Metern Umfang für bis zu sechzig Sekunden bei wenigen Kelvin (-267 °C) gespeichert, und mit einem Strahl aus neutralen Deuterium-Atomen überlagert. Durch eine Anpassung der relativen Geschwindigkeiten der beiden Teilchenstrahlen zueinander konnten die Wissenschaftler:innen die Rate der Kollisionen in Abhängigkeit der Kollisionsenergie untersuchen – diese steht in direktem Zusammenhang zur Temperatur.

Dabei stellten sie fest, dass die Rate, mit der diese Reaktion abläuft, nicht wie bis vor Kurzem vorhergesagt, mit abnehmender Temperatur verlangsamt abläuft, sondern nahezu konstant bleibt. „Bisherige Theorien sagten einen signifikanten Abfall der Reaktionswahrscheinlichkeit bei niedrigen Temperaturen voraus, diesen konnten wir aber weder im Experiment noch in neuen theoretischen Rechnungen unserer Kolleg:innen nachweisen“, erläutert Holger Kreckel vom MPIK. „die Reaktionen von HeH+ mit neutralem Wasserstoff und Deuterium scheinen daher für die Chemie im frühen Universum weitaus wichtiger gewesen zu sein als bisher angenommen“, führt er weiter aus. Die experimentelle Beobachtung deckt sich mit den Erkenntnissen einer Gruppe von theoretischen Physiker:innen um Yohann Scribano, die einen Fehler in der Berechnung der Potentialfläche identifizieren konnten, welche allen früheren Rechnungen für diese Reaktion zugrunde lag. Die neuen Berechnungen mit der verbesserten Potentialfläche stimmen nun sehr gut mit dem CSR-Experiment überein.

Da die Konzentrationen der frühesten Moleküle wie HeH+ oder molekularem Wasserstoff (H2 oder HD) aber eine wichtige Rolle bei der Entstehungsgeschichte der ersten Sterne spielen, ist dieses Ergebnis ein weiterer Puzzlestein, um dem Geheimnis der Bildung der ersten Sterne im Universum näherzukommen. [MPIK / dre]

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