Wie Nanopartikel Zellmembranen durchdringen
Membranspannung kontrolliert den Transportmechanismus.
Nanopartikel können Zellmembranen durchdringen, wenn deren Spannung geändert wird. Das haben Forscher der Universität des Saarlandes in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Spanien und China gezeigt. Sie untersuchten den Transport von Kohlenstoff-Nanoröhrchen durch eine Modellzellmembran. Dabei konnten sie nachweisen, dass es sich beim Durchdringen der Zellmembran um einen physikalischen Prozess handelt, der durch die Membranspannung kontrolliert werden kann.
Den theoretischen Teil des Projekts bearbeiteten die Forscher anhand von Computersimulationen: Am Rechner schufen sie eine künstliche Zellmembran bestehend aus einer Phospholipid-Doppelschicht. „Diese gilt als Modell für die menschliche Zellmembran, die vor allem aus Phospholipiden besteht“, erläutert Jean-Baptiste Fleury von der Universität des Saarlandes. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass winzige Kohlenstoffröhrchen zwar in diese Doppelschicht eindringen können, jedoch nicht durch sie hindurchwandern. Das ändert sich, sobald im Computermodell die Membranspannung reduziert wird: In diesem Fall durchdringen die Nanoröhrchen die Membran spontan.
Für die experimentelle Überprüfung erzeugten die Forscher eine Modellzellmembran aus Phospholipiden in einem mikrofluidischen Experiment, bei dem kleinste Flüssigkeitsmengen auf engstem Raum eingesetzt werden. Innerhalb eines mikrofluidischen Bauteils brachten sie Wassertröpfchen in Kontakt mit Öl, in dem sich Phospholipide befanden. Diese Lipid-Moleküle sind polar aufgebaut: Sie besitzen einen hydrophilen Kopf und hydrophobe Enden, die aus zwei Kohlenwasserstoffketten bestehen. „Im Grenzbereich zwischen Wasser und Öl kann die Lipiddoppelschicht spontan entstehen. Ihren Kern bilden die wasserabstoßenden Anteile, während die hydrophilen Enden der Lipide sich nach außen richten“, erläutert Fleury.
Diese fünf Nanometer dicke Doppellage ist normalerweise für Moleküle undurchlässig. Das gilt auch für die von den Forschern benutzten Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Mittels optischer Fluoreszenzmikroskopie und elektrophysiologischen Messungen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die zehn Nanometer langen Röhrchen mit ihren hydrophilen Enden in die künstliche Zellmembran eindrangen, jedoch im Kern festgehalten wurden. Da die Kohlenstoffröhrchen besonders gute Transporteigenschaften für Ionen besitzen, konnte durch Leitfähigkeitsmessungen gezeigt werden, dass sie senkrecht in der Membran eindrangen und als künstliche Ionenkanäle verwendet werden können. Sobald allerdings die Membranspannung ausreichend reduziert wurde, konnten die Nanoröhrchen durch die Membran hindurchwandern.
„Ab einer Stärke von vier Millinewton pro Meter können die Nanoröhrchen ihren Kontakt mit dem hydrophoben Kern verlieren und die Membran durchdringen“, berichtet Fleury. „Es handelt sich dabei um einen physikalischen Transportmechanismus, was in Zellen eher selten auftritt. Und wir können diesen Prozess durch die Membranspannung kontrollieren.“ Da Spannungen von einigen Millinewton durchaus in bestimmten menschlichen Zelltypen auftreten können, erlauben die Ergebnisse Rückschlüsse darauf, in welchen Bereichen des Körpers ein Transport von Nanopartikeln durch Zellmembranen grundsätzlich möglich sein könnte.
UdS / RK