24.06.2019

Wie Neutronen Raketen sicher starten lassen

Pyrotechnische Bauteile für Raketen werden mit Neutronen durchleuchtet.

Die Neutronen­quelle des Paul Scherrer Instituts PSI in der Schweiz hilft, Bauteile zu untersuchen, bevor diese in Träger­raketen vom Typ Ariane 5 und Vega eingebaut werden. Diese von der Europäischen Weltraum­organisation ESA entwickelten Raketen transportieren Satelliten und andere unbemannte Raumflugkörper ins All. Bei den am PSI untersuchten Elementen handelt es sich um pyrotechnische Bauteile, welche während des Raketenflugs eine entscheidende Rolle spielen: Sie sind mit Sprengstoff gefüllt, einige von ihnen agieren wie eine Zündschnur, andere lösen daraufhin eine Reihe gewünschter Effekte aus. Auch die Elemente, die für einen erfolg­reichen Start der Ariane-5-Rakete vor wenigen Tagen am 20. Juni sorgten, waren Monate zuvor am PSI untersucht worden.

Abb.: Die europäische Ariane 5 ist eine der wichtigsten Trägerraketen der Esa...
Abb.: Die europäische Ariane 5 ist eine der wichtigsten Trägerraketen der Esa und bringt regelmäßig Satelliten in ihre Umlaufbahnen. (Bild: ESA / CNES / J. M. Guillon, ARIANESPACE-Service Optique CSG)

Die pyrotechnischen Bauteile bestehen aus einer Metall­ummantelung, die mit einem Sprengstoff gefüllt ist. „Die pyro­technischen Signalleitungen agieren wie beim Dominoeffekt“, erläutert Christian Grünzweig, Physiker in der PSI-Forschungs­gruppe für Neutronen-Imaging und angewandte Materialien. Einmal gezündet läuft das Signal weiter und löst entlang der Linie gezielt weitere Detonationen aus. „Und ähnlich wie beim Domino ist danach Schluss: Die pyrotechnischen Bauteile lassen sich nur einmal abbrennen. Ein Testlauf vorab, ob sie zuverlässig funk­tionieren werden, ist unmöglich.“

Röntgenbilder genügen nicht zur Prüfung, da Röntgen­strahlen kaum Metalle durchdringen. „Die gute Nachricht ist“, so Grünzweig, „wo Röntgenstrahlen versagen, kann oft unsere Bildgebung mit Neutronen weiterhelfen.“ Neutronen durchdringen beinahe ungehindert die meisten Metalle, darunter auch Blei. „Der Sprengstoff dagegen enthält unter anderem Wasserstoff­atome, die den Neutronenstrahl deutlich abschwächen und ihn so als dunklen Kontrast zeigen“, so Grünzweig weiter. „Kurz gesagt: Sprengstoff hinter Metall lässt sich nur mit Neutronen sichtbar machen.“ Die Neutronen­bilder werden später von Mitarbeitern des Luft- und Raumfahrt­unternehmens Dassault Aviation ausgewertet. So wird geprüft, ob der Sprengstoff wie vorgesehen und defektfrei in die Bauteile eingebracht wurde. Dies ist entscheidend, da eine Fehlstelle in der Sprengstoff­verteilung beim Abbrennen den Dominoeffekt unterbrechen würde – die Bauteile wären damit unbrauchbar.

Auch wenn die Aneinander­reihung der pyro­technischen Bauteile oberflächlich betrachtet einer Zündschnur ähnelt, so ist ihre Aufgabe in der Raumfahrt ungleich komplexer. Während Sprengschnüre für eine schlichte Weiterleitung des Signals sorgen, gibt es noch eine Vielzahl weiterer pyro­technischer Komponenten. Einige vervielfältigen das Signal, indem auf eine eingehende Sprengschnur bis zu neun ausgehende Schnüre und damit Signale folgen. An anderen Stellen verlaufen Sprengschnüre in Schlaufen, um das Signal entsprechend verzögert zu einem bestimmten Ort zu bringen. Dort lösen sie dann winzige Deto­nationen aus, woraufhin beispielsweise Klingen entsprechende Halterungen durchtrennen. Auf diese Art werden mit perfekter zeitlicher Abstimmung die beiden Booster abgeworfen, die gemeinsam die erste Beschleu­nigungsstufe bilden. Im weiteren Verlauf des Raketenfluges wird auf ähnliche Art die Schutzverkleidung der Nutzlast abgelöst. Schließlich wird durch eine weitere Sprengung eben diese Nutzlast von der Trägerrakete gelöst.

PSI / JOL

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