13.10.2016

Wie organische Solarzellen altern

Experimente mit Röntgenstrahlung offenbaren Verschleißeffekte von Polymersolarzellen.

Anders als bei konven­­tionellen Solar­zellen aus Silizium wird der Strom in orga­n­ischen Solar­­zellen in einer aktiven Mischschicht aus zwei kohlenstoff­basierten Materialien erzeugt. Ist eines davon ein Polymer, spricht man oft von orga­nischen Solar­zellen. Diese sind besonders viel­versprechend, weil ihre Herstellung sehr kostengünstig und einfach ist. So lassen sich extrem leichte, biegsame und sogar halb­­transparente Solarzellen über Druck­verfahren auf flexiblen Kunststoff­­materialien erzeugen und damit vollkommen neue Anwendungs­gebiete erschließen. Orga­nische Solar­­zellen sind in der Regel allerdings weniger effizient in der Umwandlung von Sonnen­­licht in elektrische Energie als silizium­­basierte, und sie haben bisweilen eine kürzere Lebens­­dauer.

Abb.: Die innere Struktur der aktiven Schicht der untersuchten Solarzelle ohne (li.), mit und nach Verlust des Lösungsmittels im Betrieb. (Bild: C. Schaffer / TUM)

Die innere Struktur der aktiven Schicht ist für organische Solar­­zellen von zentraler Bedeutung. Bei der Herstel­lung müssen sich die beiden Materialien der aktiven Schicht aus einer gemein­samen Lösung entmischen, ähnlich wie sich Öltropfen in Wasser bilden. „Es ist dabei wichtig, dass sich Polymer­domänen mit einer Größe von wenigen zehn Nano­metern formen“, betont Christoph Schaffer, Doktorand aus der Gruppe von Müller-Buschbaum. „Nur so können in der aktiven Schicht effizient positive und negative Ladungs­­träger erzeugt und auch von­einander getrennt werden. Ist die Struktur zu grob oder zu fein, funk­tioniert dieser Prozess nicht mehr, und die Solar­zelle verliert an Effizienz.“

In modernen orga­nischen Solar­zellen werden häufig Low-bandgap-Polymere verwendet, die besonders viel Licht absorbieren. Sie benötigen oft während der Herstellung einen Lösungsmittel­­zusatz, um hohe Wirkungs­grade zu erreichen. Dieser Zusatz ist umstritten, weil er die Lebensdauer der Solarzellen weiter senken könnte. Mit DESYs Röntgen­­lichtquelle PETRA III haben die Wissen­­schaftler den Verschleiß solcher Low-bandgap-Polymer­solar­zellen mit Lösungs­mittel­zusatz näher untersucht. Dazu wurde eine solche Solarzelle in einem Sonnen­­licht­simulator mit sonnen­­ähnlichem Licht beleuchtet und konti­nuierlich auf ihre elek­trischen Kenndaten vermessen. Gleich­zeitig durch­­leuchteten die Forscher die Solarzelle zu unter­schiedlichen Zeiten mit dem scharf fokus­sierten Röntgen­strahl von PETRA III. Somit konnten sie sich im Abstand von einigen Minuten ein Bild von der inneren Struktur der aktiven Schicht auf der Nano­meter­skala machen. „Mit diesen Messungen lassen sich Struktur und Leistungs­­daten der Solarzelle verknüpfen und im Verlauf der Zeit verfolgen“, erläutert Stephan Roth, Leiter der DESY-Mess­­station P03, an der die Versuche stattfanden.

„Die Daten zeigen, dass Domänen auf der Längen­­skala von wenigen zehn Nano­metern während des Betriebs stark schrumpfen, und ihre geo­­metrischen Grenzen zu der anderen Komponente verschwinden“, sagt Schaffer. Gleich­zeitig liefern die Messungen Hinweise darauf, dass der Restgehalt an Lösungs­­mittelzusatz sinkt. Auf diese Beobach­tungen führen die Wissen­­schaftler den gemessenen Effizienz­­verlust der Solarzelle zurück. „Da es Indizien dafür gibt, dass der Restgehalt des Lösungsmittel­zusatzes sinkt, müssen wir davon ausgehen, dass dieser Prozess die Lebens­­dauer der Solar­­zellen limitieren kann“, erläutert Müller-Buschbaum. „Es ist daher unabdingbar, nach Strategien zur Verfestigung der Struktur zu suchen. Dies könnte etwa durch chemische Vernetzung der Polymer­­ketten oder durch maß­­geschneiderte Verkap­selungs­ma­terialien bewerk­stelligt werden.“

Die Münchner Forscher hatten in einer voran­­gegangenen Studie bereits den Verschleiß eines anderen Typs von Polymer­­solarzellen beobachtet. Bei dieser Solar­­zellenart zeigte sich, dass die Effizienz dadurch sank, dass die aktiven Zentren im Laufe des Betriebs wuchsen. Das legte nahe, solche Solarzellen mit einer eigentlich sub­­optimalen, etwas zu feinen Struktur herzustellen, die in den ersten Betriebs­­stunden dann zur optimalen Größe heranwächst. An diese Arbeit knüpft die neue Unter­suchung an. „In unserer ersten Studie konnten wir sehen, dass die Effizienz durch eine Ver­gröberung der Struktur sinkt“, berichtet Schaffer. „In der aktuellen Studie passiert genau das Gegenteil. Dieses Verhalten entspricht ganz unseren Erwartungen, weil die Zusammen­­setzung der aktiven Schicht anders ist. Die Mate­rialien in der ersten Studie tendieren dazu, stark zu entmischen. Hier ist nun das Gegenteil der Fall und man braucht den Lösungsmittel­zusatz, um die benötigte Entmischung der Materialien für hohe Effi­zienzen zu erzeugen. Verschwindet im Betrieb der Lösungs­­mittelzusatz, verfeinert sich die Struktur wieder und entfernt sich damit von ihrem Optimum.“

Beide Unter­­suchungen liefern wichtige Ansätze für eine gezielte Optimierung der Produktion orga­­nischer Solar­zellen, wie Roth betont: „Das Zusammen­spiel der beiden Studien ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie Messungen mit Synchrotron­­strahlung auf der atomaren Skala wichtige Erkennt­nisse für die Forschung gerade in anwendungs­­nahen Gebieten wie dem der erneuer­­baren Energien liefern können.“

TUM / JOL

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