15.08.2018

Wie schnell die Alpen wandern

Computermodell zeigt auf der Basis von Positionsmessungen die Dynamik des Gebirges.

Die Dynamik der Erdkruste ist für uns Menschen nicht spürbar. Wer auf einem Berg­gipfel in den Alpen steht, merkt nicht, dass sich der Fels unter ihm bewegt. Ein Team vom Deutschen Geodä­tischen Forschungs­institut der Technischen Univer­sität München TUM hat jetzt erstmals die Bewegungen des Gebirges flächen­deckend sichtbar gemacht. Die Daten hierfür lieferten mehr als 300 GPS-Antennen in den deutschen, öster­reichischen, slowenischen, ita­lienischen, fran­zösischen und schweizer Alpen. Die Positionen der Mess­stationen, die zu einem großen Teil im EU-Projekt ALPS-GPS­QUAKENET errichtet wurden, ermittelten sie auf Bruchteile eines Milli­meters genau.

Abb.: Aus den GPS-Daten abgeleitetes horizontales Spannungsfeld: In roten Bereichen tritt eine Kompression auf, in blauen eine Dehnung. (Bild: DGFI / TUM)

Seit zwölf Jahren führt jede dieser Stationen im 15-Sekunden-Takt Positions­bestimmungen durch. „Die Daten sind eine Goldgrube für die Geodäsie, die das Ziel hat, die Oberfläche der Erde genau zu vermessen und Verän­derungen zu erkennen“, erklärt Florian Seitz vom Lehrstuhl für Geodä­tische Geo­dynamik. „Die größte Heraus­forderung war die einheit­liche Aufbereitung der Mess­ergebnisse“, erinnert sich Laura Sánchez. Die Forscherin hat eine halbe Million Beobach­tungen verarbeitet: „Die Messungen werden beispiels­weise beein­trächtigt durch die Auflast von Schnee, der die Antennen im Winter absenkt, oder durch Anomalien in der Atmosphäre, welche die GPS-Signale beein­flussen. Solche Stör­faktoren muss man erkennen und bereinigen.“

Die berei­nigten Messwerte nutzten die Wissen­schaftler, um ein Computer­modell des gesamten Alpenraums zu erstellen. Ein Novum: „Bisherige Auswer­tungen waren auf einzelne Regionen beschränkt. Unser Modell reicht von den Seealpen bis nach Wien und umfasst damit alle Teile des Gebirges“, betont Seitz. „Außerdem können wir mit einer Auflösung von 25 Kilometern die hori­zontalen und verti­kalen Verschie­bungen sowie Dehnungen und Stauchungen darstellen.“ Das Modell macht sowohl großräumige Bewegungs­muster als auch regionale Besonder­heiten sichtbar: So wachsen die Alpen im Jahr um durch­schnittlich 1,8 Millimeter und wandern mit einer Geschwin­digkeit von bis zu 1,3 Millimetern nach Nordosten. In Süd- und Osttirol wird diese Bewegung jedoch überlagert von einer Rotation in Richtung Osten, gleich­zeitig wird das Gebirge dort zusammen­gedrückt. Auch die Hebung verläuft nicht überall gleich­mäßig: Im südlichen Teil der Westalpen ist sie sehr gering, in den Zentral­alpen, an der Grenze zwischen Österreich, der Schweiz und Italien erreicht sie mit mehr als zwei Milli­metern pro Jahr ein Maximum.

Aus den Veränderungen der Oberfläche lassen sich Rück­schlüsse ziehen auf die Platten­tektonik im Untergrund. Die gemessenen Bewegungen sind die Folge der alpi­dischen Gebirgs­bildung, die im Jura, vor 200 Millionen Jahren, begann und bis heute andauert. „Geologen und Geophysiker, die sich mit der Alpen­dynamik beschäftigen, sind daher sehr interes­siert an unserem Datensatz - dem umfang­reichsten, den es je gegeben hat“, berichtet Seitz.

TUM / JOL

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