21.07.2005

Wie schnell hüpfen Elektronen?

Mit Röntgenpulsen gelang es, den Wettlauf von Elektronen zwischen einem Schwefel- und einem Ruthenium-Atom zu messen.


Wie schnell hüpfen Elektronen?

Mit Röntgenpulsen gelang es, den Wettlauf von Elektronen zwischen einem Schwefel- und einem Ruthenium-Atom zu messen.

Hamburg/Lund - Rasant schnell springen angeregte Elektronen zwischen Umlaufbahnen und verschiedenen Atomen hin und her. Beispielsweise die Stromgewinnung mit Solarzellen oder der Signaltransport in biologischen Systemen beruhen auf solchen Hochgeschwindigkeitsprozessen. Mit Röntgenpulsen konnten nun deutsche Forscher den Wettlauf von Elektronen zwischen einem Schwefel- und einem Ruthenium-Atom messen. Ihr Ergebnis, das sie im Fachblatt "Nature" präsentieren: 320 Milliardstel einer Milliardstel Sekunde. Kurz: 320 Attosekunden.

„Wir drangen mit unserer Methode in die Attosekunden-Region vor, indem wir die Lebenszeit eines inneren Elektronenloches als interne Referenz-Uhr nutzten“, schreibt das Team um Wilfried Wurth von der Universität Hamburg. Zusammen mit Kollegen der Technischen Universität München und der spanischen Universidad del País Vasco in San Sebastian deponierte Wurth Schwefel-Atome auf einer hochreinen Oberfläche aus dem Metall Ruthenium. Mit polarisierten Röntgenpulsen des Synchrotronrings am MAX-Lab im schwedischen Lund regten sie Elektronen an, die sich auf inneren Bahnen um den Kern eines Schwefelatoms bewegen. Damit setzten sie dynamische Prozesse zwischen weiteren Elektronen in Gang.

Die Experimente wurden am Synchrotronring des MAX-Lab im schwedischen Lund durchgeführt. (Quelle: MAX-Lab)

Als verlässlichen Zeitmesser brauchten die Forscher nun einen Prozess, der mit einer bekannten Zeit abläuft. Dafür bot sich ein so genannter Coster-Kronig-Übergang an, der nach der resonanten Innerschalenanregung (2s –1-Schwefel -> 3p z-Schwefel, 227,5 eV) immer 500 Attosekunden braucht. Befindet sich nun ein absorbiertes Schwefelatom auf einer Rutheniumoberfläche, kann das angeregte Elektron beim Schwefel verbleiben oder von einem Ruthenium-Atom eingefangen werden. Die Wahrscheinlichkeiten für beide Fälle konnten durch die aufgenommenen Spektren bestimmt werden. Da nun in mehr als der Hälfte der Fälle, das Elektron nach 500 Attosekunden nicht mehr beim Schwefel anzutreffen war, musste es in einer kürzeren Zeit zum Ruthenium gesprungen sein. Genau die Zeit für diesen Ladungstransfer konnten die Physiker über ihre resonanten Absorptionsspektren bestimmen.

„Diese Demonstration zeigt, dass Spektroskopie mit weichen Röntgenstrahlen (XAS) für die Analyse von Elektronenbewegungen auf der Attosekunden-Zeitskala genutzt werden kann“, schreiben die Forscher in ihrem Artikel. Damit erweitert dieser Ansatz die bereits etablierte Femtosekunden-Spektroskopie, die dynamische Prozesse über so genannte Pump-und-Probe-Experimente mit extrem kurzen Laserpulsen offenbart.

Neben einem besseren Verständnis der Elektronenprozesse in Solarzellen oder beim Signaltransport zwischen Zellen denken Wurth und Kollegen sogar an Anwendungen im Computerbereich. "Eine zweite zukünftige Anwendung könnte die Untersuchung von Spin-abhängigen Elektronentransfer-Prozessen sein", so die Autoren. Dabei soll nach heutigem Stand der Forschung die Eigendrehung von Elektronen, der so genannte Spin, eine Grundlage für zukünftige „Spintronik“-Module bilden. Über diese ließen sich - so die Idee - einzelne Bits speichern oder gar berechnen. Eine Erklärung wie schnell und wohin die dabei verwendeten Elektronen sich dabei bewegen, könnte für die Entwicklung spintronischer Schaltkreise der Zukunft von großer Bedeutung sein.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • Zewail, A. H. Femtochemistry: atomic-scale dynamics of the chemical bond (adapted from the Nobel lecture). J. Phys. Chem. A 104, 5660 (2000).  
  • Hentschel, M. et al. Attosecond metrology. Nature 414, 509 (2001).  
  • Drescher, M. et al. Time-resolved atomic inner-shell spectroscopy. Nature 419, 803 (2002).  
  • Baltuska, A. et al. Attosecond control of electronic processes by intense light fields. Nature 421, 611 (2003).

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