Wie sich die dunkle Energie verteilt
Röntgenteleskops eRosita liefert Daten aus den Galaxienhaufen im Universum.
1998 fanden Wissenschaftler durch die Beobachtung von Supernovae des Typs Ia heraus, dass im Universum eine Phase der beschleunigten Expansion begonnen hat. „Um diese Beschleunigung zu erklären, brauchen wir eine Quelle, die dunkle Energie“, sagt Joe Mohr, Astrophysiker an der Universität München (LMU). Sie liefert eine Art „Antischwerkraft“ zur Beschleunigung der kosmischen Expansion. Wissenschaftlich betrachtet ist die Existenz der dunklen Energie und der kosmischen Beschleunigung durchaus überraschend, deutet sie doch darauf hin, dass unser derzeitiges Verständnis der Physik entweder unvollständig oder falsch ist. Nun hat I-Non Chiu von der National Cheng Kung University in Taiwan gemeinsam mit den LMU-Astrophysikern Matthias Klein, Sebastian Bocquet und Joe Mohr eine erste Untersuchung der dunklen Energie mit Hilfe des Röntgenteleskops eRosita veröffentlicht, im Fokus stehen dabei die Galaxienhaufen im Universum.
Die von der dunklen Energie möglicherweise verursachte Antigravitation drückt Materie auseinander und verhindert die Bildung großer kosmischer Objekte, die sich sonst aufgrund der anziehenden Wirkung der Gravitation bilden würden. Die dunkle Energie beeinflusst somit auch, wo und wie Galaxienhaufen entstehen. „Wir können viel über die Natur der dunklen Energie lernen, wenn wir die Anzahl der im Universum gebildeten Galaxienhaufen als Funktion der Zeit oder in der Beobachtungswelt als Funktion der Rotverschiebung zählen“, erklärt Klein. Allerdings sind Galaxienhaufen extrem selten und schwer zu finden, was Durchmusterungen eines großen Teils des Himmels mit den empfindlichsten Teleskopen der Welt erfordert.
Zu diesem Zweck startete im Jahr 2019 das eRosita-Röntgenteleskop unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE). Es durchmustert seitdem den Himmel auf der Suche nach Galaxienhaufen. In der eRosita Final Equatorial-Depth Survey (eFEDS), einer Mini-Durchmusterung, die der Leistungsüberprüfung der folgenden All-Sky-Durchmusterung diente, wurden zunächst rund 500 Galaxienhaufen nachgewiesen. Es ist eine der größten Stichprobe massearmer Galaxienhaufen. Sie deckt die letzten zehn Jahrmilliarden in der kosmischen Entwicklung ab. Chiu und seine Kollegen nutzten für ihre Untersuchung nicht nur die eFEDS Daten, sondern zusätzlich die optischen Daten des Hyper-Suprime-Cam Subaru Strategic Program, das von Taiwan, Japan und Princeton University geleitet wird. Die Forscher nutzten diese Daten, um die Galaxienhaufen in eFEDS zu charakterisieren und ihre Massen mithilfe des schwachen Gravitationslinseneffektes zu messen. Die Kombination beider Datensätze ermöglichte die erste kosmologische Studie mit Galaxienhaufen, die von eRosita entdeckt wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass die dunkle Energie nach dem Vergleich zwischen den Daten und den theoretischen Vorhersagen 76 Prozent der gesamten Energiedichte im Universum ausmacht. Außerdem ergaben die Berechnungen, dass die Energiedichte der dunklen Energie gleichmäßig im Raum und konstant in der Zeit zu sein scheint. „Unsere Ergebnisse stimmen gut mit anderen unabhängigen Ansätzen überein, wie zum Beispiel früheren Untersuchungen von Galaxienhaufen sowie solchen, die schwache Gravitationslinsen und den kosmischen Mikrowellenhintergrund verwenden“, sagt Bocquet. Bislang deuten alle Beobachtungsergebnisse, einschließlich der jüngsten Ergebnisse von eFEDS, darauf hin, dass die dunkle Energie durch die kosmologische Konstante beschrieben werden kann.
„Die derzeitigen Fehler bei der Bestimmung der dunklen Energie sind zwar immer noch größer, als wir es uns wünschen würden, aber bislang nutzt unsere eFEDS-Stichprobe auch nur einen Bereich von weniger als einem Prozent des gesamten Himmels“, sagt Mohr. Die erste Analyse könnte somit eine gute Grundlage für künftige Studien der eRosita-Stichprobe für den gesamten Himmel sowie für andere Haufenproben bieten.
LMU / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
I-Non Chiu et al.: Cosmological constraints from galaxy clusters and groups in the eROSITA final equatorial depth survey, MNRAS 522, 1601 (2023); DOI: 10.1093/mnras/stad957 - Universitätssternwarte München (J. Mohr), Ludwig-Maximilians-Universität LMU, München