10.09.2019 • Astrophysik

Wie sich protostellare Scheiben drehen

Verlaufsprofil des Drehimpulses liegt zwischen Festkörper und reiner Turbulenz.

Wie entstehen Sterne und Planeten? Wissenschaftler sind der Beantwortung dieser Frage jetzt einen Schritt näher gekommen, indem sie die Bedingungen für die Entstehung von proto­stellaren Scheiben genauer einschränken konnten. Beobachtungen von drei Systemen in der Perseuswolke in einer frühen Phase der Stern­entstehung zeigen, dass das Verlaufs­profil des Drehimpulses in diesen Systemen zwischen den Erwartungen für einen Festkörper und reiner Turbulenz liegt. Dies deutet darauf hin, dass der Einfluss des Kerns weiter nach außen reicht als bisher angenommen. Diese Ergebnisse könnten zu realisti­scheren Ausgangs­bedingungen für numerische Simulationen der Scheiben­bildung führen.

Abb.: Die Molekülwolke Perseus beherbergt viele Sternentstehungsregionen....
Abb.: Die Molekülwolke Perseus beherbergt viele Sternentstehungsregionen. (Bild: A. Block & S. Leach, U. Arizona)

Die wichtigsten Schritte der Stern- und Planeten­entstehung sind gut verstanden: Eine dichte inter­stellare Wolke bricht unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammen, ein zentraler Kern bildet sich gleich­zeitig mit einer proto­stellaren Scheibe aufgrund der Drehimpuls­erhaltung. Schließlich wird der Stern nach etwa hundert­tausend Jahren dicht genug, um die Kernfusion in seinem Zentrum zu zünden – er beginnt zu leuchten, während sich in der Scheibe Planeten bilden. Aber es gibt noch viele offene Fragen zu den Details dieses Prozesses: Was ist die Rolle des Drehimpulses bei der Scheiben­bildung? Wie sammelt die zirkum­stellare Scheibe den größten Teil ihrer Masse?

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des MPI für extraterrestrische Physik hat jetzt drei der jüngsten proto­stellaren Quellen in der Perseus-Molekülwolke beobachtet. Man sieht diese Quellen und deren Scheibe von der Seite, so dass eine Unter­suchung der Geschwindigkeits­vertei­lung der dichten Wolke möglich ist.

„Das ist das erste Mal, dass wir die Gasbewegung um drei zirkum­stellare Scheiben in frühen Phasen ihrer Entstehung analysieren konnten“, sagt Jaime Pineda, der die Studie am MPE leitete. „Alle Systeme können mit dem gleichen Modell erklärt werden, das uns einen ersten Hinweis darauf gab, dass sich die dichten Wolken nicht wie ein Festkörper drehen.“ Eine Festkörper­rotation ist die einfachste Annahme, nach der das Gas in der dichten Wolke mit einer festen Winkel­geschwin­dig­keit bei einem beliebigen Radius rotiert. Das Modell, das alle drei Systeme am besten beschreibt, liegt zwischen denjenigen, die für die Rotation des Festkörpers und für reine Turbulenz erwartet werden.

Darüber hinaus zeigte sich beim Vergleich dieser Beobachtungen mit früheren numerischen Modellen, dass Magnetfelder eine Rolle bei der Entstehung dieser Scheiben spielen. „Wird ein Magnetfeld in das Model integriert, sorgt dieses dafür, dass der Kollaps nicht zu schnell erfolgt und die Gasrotation mit der tatsächlich beobachteten übereinstimmt“, erklärt Pineda. „Unsere neuesten Beobach­tungen geben uns eine Obergrenze für die Größe der Scheiben, die mit früheren Studien gut über­ein­stimmt.“

Insbesondere steht der spezifische Drehimpuls des ein­fallenden Materials in direktem Zusammen­hang mit dem maximal möglichen Kepler­radius der proto­stellaren Scheibe. Bei einer Sternmasse von etwa fünf Prozent der Masse unserer Sonne schätzen die Wissen­schaftler, dass die Ober­grenze der Kepler­scheibe etwa sechzig Astronomische Einheiten beträgt, in Über­ein­stimmung mit früheren Schätzungen. Das deutet darauf hin, dass große Scheiben nicht früh gebildet werden können und beeinflusst daher den Ausgangs­punkt für Szenarien zur Planeten­entstehung.

Der nächste Schritt für die Astronomen besteht nun darin, solche Systeme in verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung und in verschiedenen Umgebungen zu beobachten, um zu überprüfen, ob das spezifische Drehimpuls­profil dadurch beeinflusst wird. Diese Ergebnisse können dann in numerische Simulationen einfließen oder mit diesen verglichen werden, um die gemeinsame Entwicklung des dichten Kerns, aus dem ein Stern entsteht, und der zirkum­stellaren Scheibe, die zur Planeten­entstehung führt, besser zu verstehen.

MPE / RK

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