Wie Wasser seine Quantengeheimnisse verbirgt
Studie zeigt, warum sich Wasser und schweres Wasser ähnlich verhalten.
Ein Forschungsteam um Yuki Nagata und Mischa Bonn vom MPI für Polymerforschung hat normales Wasser – H2O – und schweres Wasser – D2O – im Labor untersucht und herausgefunden, warum sich die beiden Elemente ähnlich verhalten, obwohl Deuteriumatome D doppelt so schwer sind wie Wasserstoffatome H. Ihre Untersuchungen können beispielsweise erklären, warum die Gefrierpunkte der beiden Wasserarten näher beieinander liegen, als man zunächst erwarten würde. Demnach sind zwei Kernquanten-Effekte dafür verantwortlich, die sich gegenseitig kompensieren.

Die Quantenmechanik besagt, dass sich Atome auch am absoluten Nullpunkt, also bei -273 °C, weiterbewegen: Sie oszillieren leicht um eine zentrale Position. Das wird als Nullpunktsenergie bezeichnet. Die Wasserstoffatome in normalem Wasser befinden sich daher nicht in einem definierten, festen Abstand zum Sauerstoffatom, sondern in einer bestimmten Wolke, die sich um eine durchschnittliche Entfernung erstreckt. Da Wasserstoff ein Atom mit so geringer Masse ist, sind diese Wasserstoffwolken groß, die Nullpunktsenergien hoch und die Schwingung hat eine große Amplitude.
Wird Wasserstoff durch das schwerere Deuterium ersetzt, schwingen die Atome weniger. Die mittlere Entfernung wird kleiner, das Deuteriumatom rückt also näher an das Sauerstoffatom heran. Durch diesen intramolekularen Effekt verringert sich die räumliche Ausdehnung eines Wassermoleküls. Gleichzeitig vergrößert sich der Abstand zum nächsten Wassermolekül, wodurch die Bindungsenergie sinkt.
Gleichzeitig kann das Deuteriumatom aber nicht nur in Richtung der Bindungslinie zum Sauerstoffatom schwingen, sondern auch senkrecht dazu. Beim Austausch von Wasserstoff gegen Deuterium wirkt dieser intermolekulare Effekt dem intramolekularen Effekt entgegen: Während der eine die Bindungsenergie verringert, erhöht der andere die Bindungsenergie in vergleichbarem Maße.
Die Gefriertemperaturen unterscheiden sich nur geringfügig, da die beiden quantenmechanischen Effekte entgegengesetzte Auswirkungen auf die Bindungsenergie haben und sich gegenseitig annähernd ausgleichen.
Um diese subtilen Effekte zu messen, verwendeten die Forscher eine Technik namens Heterodyn-Detektierte-Summen-Frequenz-Spektroskopie. Mit dieser Methode konnten sie die oberste Wasserschicht an einer Luft-Wasser-Grenzfläche untersuchen, wo Wassermoleküle mit einem freien Ende existieren, das nicht an andere Wassermoleküle gebunden ist. Durch die sorgfältige Analyse der Schwingungsspektren von Wasser mit unterschiedlichen Anteilen von Wasserstoff und Deuterium konnten die Wissenschaftler die einzelnen inter- und intramolekularen Energiekomponenten ableiten und quantifizieren.
Die Studie liefert den ersten experimentellen Beweis für den Wettbewerb und die fast vollständige Aufhebung zwischen intramolekularen und intermolekularen Quanteneffekten in Wasser, die lange Zeit nur theoretisch vorhergesagt wurden. Die Arbeit unterstreicht, wie wichtig es ist, diese Quantenphänomene zu berücksichtigen, wenn man versucht, das Verhalten von Wasser zu verstehen. Das hat Auswirkungen auf Bereiche, die von der Klimaforschung bis zur Biochemie reichen, wo die Eigenschaften von Wasser eine entscheidende Rolle spielen. Darüber hinaus eröffnet der innovative Ansatz des Teams neue Möglichkeiten für die Untersuchung von Quanteneffekten in anderen komplexen Systemen.
MPI-P / RK