Wieviel wiegt ein Photon?
Theoretisch könnten Photonen eine Ruhemasse besitzen. Die experimentelle Obergrenze wird aber immer kleiner.
Vor 50 Jahren erschien in Physik in unserer Zeit eine Meldung zur Obergrenze der Photonmasse. Was ist daraus geworden?
Die Quantenelektrodynamik (QED) zur Beschreibung von Photonen und elektrisch geladenen Teilchen ist eine der erfolgreichsten Theorien der Physik. Präzisionsmessungen stimmen auf etliche Nachkommastellen mit störungstheoretischen Berechnungen überein und sind dementsprechend empfindlich auf etwaige QED-Modifikationen. Eine besonders interessante Erweiterung der QED führt eine Ruhemasse m für das Photon ein und verallgemeinert damit Maxwells Gleichungen auf die von Alexandru Proca: eine relativistische Wellengleichung für Teilchen mit Spin 1 (Eich- oder Vektorbosonen) und nicht verschwindender Masse.
Es gibt in der QED keinen zwingenden theoretischen Grund für eine verschwindende Photonmasse, und sie lässt sich auch konsistent in das grundlegendere Standardmodell der Teilchenphysik einbetten. Die Existenz einer Photonmasse muss daher experimentell untersucht werden, beispielsweise durch präzise Messungen des elektrostatischen Coulomb-Gesetzes oder der Dispersionsrelation des Lichtes. Während sich nämlich masselose Photonen im Vakuum alle mit der Lichtgeschwindigkeit c fortbewegen, hängt die Geschwindigkeit v massiver Photonen wie oben angegeben von deren Frequenz ω ab. Rotes Licht würde sich also langsamer ausbreiten als blaues, ein potentiell messbarer Effekt sofern der Abstand und das Spektrum einer zeitlich variierenden Lichtquelle bekannt sind.
G. Feinberg von der Columbia University, New York, schlug 1969 vor, genau diesen Effekt mittels der im Vorjahr neu entdeckten Pulsare zu messen [1]. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die ähnlich einem Leuchtturm ein Signal aussenden, das wir periodisch empfangen. Jeder Puls enthält mehrere Frequenzen, die im Falle masseloser Photonen alle gleichzeitig die Erde erreichen sollten. Da sich die Photonen allerdings nicht im Vakuum zu uns bewegen, sondern durch das interstellare Medium, muss ein weiterer Effekt berücksichtigt werden: Photonen in einem Plasma erhalten eine effektive Masse, die proportional zur Wurzel der freien Elektronendichte ist. Diese effektive Masse hat den gleichen Effekt wie eine Ruhemasse auf die Dispersionsrelation, daher erfordert eine Messung der Photonmasse die sehr genaue Kenntnis der Elektronendichte, die das Licht durchquert hat. Eine Schätzung dieser Elektronendichte im Falle des Krebsnebel-Pulsars führte Feinberg zu einem oberen Limit m < 6·10–12 eV/c2 = 10–44 g.
Die ungenaue Kenntnis der interstellaren Elektronendichte macht es schwierig, Feinbergs Limit signifikant zu verbessern. Weitaus nützlicher ist es im Umkehrschluss, die beobachtete Dispersion von Pulsarlicht zur Untersuchung des interstellaren Mediums zu benutzen.
Stärkere Limits für eine Photonmasse wurden in der Zwischenzeit durch andere Messungen erreicht. Tests des Coulomb-Gesetzes 1971 durch Physiker von der Wesleyan University, Connecticut, erreichten ein robustes Limit von 10–14 eV/c2 [2]. Die bislang beste, von der Particle Data Group akzeptierte obere Grenze ermittelte Dmitri Ryutov vom Lawrence Livermore National Laboratory im Jahre 2007 zu 10–18 eV/c2 [3]. Er untersuchte hierfür die Effekte einer möglichen Photonmasse auf die Magnetohydrodynamik des Sonnenwind-Plasmas, das mit Hilfe der Voyager-Sonden bis zur Umlaufbahn von Pluto vermessen wurde.
Trotz stetig stärker werdender Limits bleibt die grundsätzliche Frage, ob Photonen eine Masse haben, weiterhin offen und inspiriert hoffentlich weitere Ideen, unsere Modelle zu testen.
Literatur
[1] G. Feinberg, Science 166, 879 (1969).
[2] E. R. Williams, J. E. Faller, H. A. Hill, Phys. Rev. Lett. 26, 721 (1971).
[2] D. D. Ryutov, Plasma Physics and Controlled Fusion 49, B429 (2007).
Julian Heeck, University of California, Irvine