Wind und Radar in Konkurrenz
Neues Feldstärkemesssystem soll gegenseitige Störungen von Windparks und Radaranlagen vorhersagen.
Forscher der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) haben gemeinsam mit FCS Flight Calibration Services aus Braunschweig ein Messsystem entwickelt, das – an einem Helikopter hängend – die elektrische Feldstärke sowie die Signalinhalte von Navigationsanlagen der Flugsicherung mit bisher unerreichter Genauigkeit erfasst. Mit der Auswertung aufgezeichneter Messdaten ließe sich schon im Vorfeld besser klären, in welchem Ausmaß geplante Windenergieparks die Messdaten und die folgende Signalverarbeitung von benachbarten Radaranlagen der Flugsicherung, Luftverteidigung oder Wetterbeobachtung beeinflussen. Eine miniaturisierte und noch stark vereinfachte Version der Messanordnung absolviert bereits erste Testflüge auf einem Oktokopter.
Abb.: Der Oktokopter fliegt eine vorgegebene Route anhand von Wegpunktmarkierungen automatisch ab. Die auf ihm montierte Messsonde verfügt über drei orthogonal angeordnete Antennen und einen GPS-Empfänger. Der integrierte Mikroprozessor verarbeitet den Datenstrom des dreikanaligen HF-Empfängers sowie die GPS-Position und speichert diese Informationen zeitsynchron ab. (Bild: PTB)
Manchmal geraten gesellschaftlich und politisch gewollte Entwicklungen in Konkurrenz zueinander: Da bringt einerseits die Energiewende den Bau zahlreicher Windparks mit sich, auf der anderen Seite sorgen die Radarüberwachung von Meteorologen, Flugsicherung und Bundeswehr für Sicherheit. Doch Radarwellen werden gestreut, wenn sie auf die zahlreichen Rotorblätter in einem großen Windpark treffen, und können dann die Nutzdaten so stark überlagern, dass der Sensor falsche Informationen liefert. So manches Windenergieprojekt liegt zurzeit auf Eis, weil die Betreiber der Radaranlagen externe Gutachten, die auf reinen Simulationsmodellen basieren, vielfach nicht mehr akzeptieren. Denn die Simulation der Wellenausbreitung setzt zahlreiche Annahmen voraus, die sich bisher nicht durch Messungen verifizieren ließen. Das neue Messsystem kann die grundlegenden Daten für Simulationsmodelle liefern und hierdurch Gutachtern helfen, mit verbesserter Modellierung daraus verlässlichere Prognosen für Genehmigungsbehörden abzuleiten.
Herzstück der Technik ist ein gemeinsam entwickeltes Antennen- und Empfangssystem. In seiner bisherigen Ausführung hängt es unter einem Helikopter und kann an beliebigen Punkten im Raum die elektromagnetische Feldstärke messen und zeitsynchron Messdaten und Ort (GPS mit Unterstützung durch EGNOS) mit sehr hoher Abtastrate speichern. Erfolgreiche Tests haben bereits gezeigt, dass es das für die einwandfreie Signalübertragung, z. B. zwischen einem Instrumentenlandesystem und einem Flugzeug, notwendige elektromagnetische Fernfeld so genau messen kann, wie es die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO vorschreibt. Die Messung wird auf das Internationale Einheitensystem SI zurückgeführt und damit erst vergleichbar gemacht. Bisher konnte das niemand in Europa.
Dieses Antennensystem haben Thorsten Schrader, Leiter des PTB-Fachbereichs Hochfrequenz und Felder, und Kollegen nun miniaturisiert auf einem Oktokopter montiert, einem etwa 80 cm breiten und acht Rotoren tragenden Minihubschrauber. Auf solchen Fluggeräten könnte der Sensor in Zukunft an Orten mit bereits existierenden oder geplanten Windparks zum Einsatz kommen und Daten zur Feldstärke und zu veränderten Signalinhalten an frei wählbaren Koordinaten über beliebig lange Zeiträume ermitteln. Die Forscher wollen damit in einem ersten Schritt die durch Windenergieanlage hervorgerufene zeitdynamische Veränderung der elektromagnetischen Wellenausbreitung messtechnisch erfassen, analysieren und in eine möglichst einfache Modellbildung des elektromagnetischen Übertragungskanals einfließen lassen.
Der innovative Ansatz dieses Projektes (WERAN – Wechselwirkung Windenergieanlagen und Radar/Navigation) besteht darin, die komplexe Einschätzung von Radarstörungen durch Windparks in messtechnisch erfassbare Zwischenschritte aufzuteilen und nur physikalisch kompatible Größen aus numerischen Simulationen und Messungen miteinander zu vergleichen.
PTB / CT