Windparks verändern die Nordsee
Einfluss von Offshore-Windparks auf die Ozeandynamik untersucht.
Welchen Einfluss haben Offshore-Windparks auf die Ozeandynamik? Dieser Frage ist jetzt ein Team um Nils Christiansen vom Helmholtz-Zentrum Hereon nachgegangen. Im Fokus stand eine Abschwächung des Winds und damit einhergehende Veränderungen der physikalischen Bedingungen der betroffenen Nordseegebiete. Denn die Windkraftanlagen stellen Hindernisse für Wasser und Luft dar. Die Effekte sind im Hinblick auf die Planung zukünftiger Offshore Windparks von großer Bedeutung.
Die Studie simuliert eine Abschwächung der Windgeschwindigkeit auf der windabgewandten Seite der Parks. Belegt wurde dieses Phänomen erst kürzlich von einem weiteren Hereon-Team. Auslöser für die Abschwächung des Winds sind die Turbinen. Für die Stromerzeugung entziehen sie dem Windfeld kinetische Energie. In Lee der Windräder entstehenden atmosphärische Wirbelschleppen. Diese sind charakterisiert durch verringerte Windgeschwindigkeit sowie durch spezielle Druckverhältnisse und erhöhte Luftturbulenz. Unter stabilen atmosphärischen Bedingungen breiten sich die Defizite der Windgeschwindigkeit bis zu siebzig Kilometer hinter den Windparks aus.
Mithilfe hochauflösender, hydrodynamischen Computersimulationen hat das Team die Effekte auf die südliche Nordsee für den Sommer 2013 analysiert. Die Analyse zeigt einen Zusammenhang von Wirbelschleppen und Änderung des impulsgetriebenen Austauschs zwischen Atmosphäre und Wasser. Hierdurch könnten wiederum die horizontalen Strömungen und die Schichtung des Wassers beeinflusst werden.
Die Effekte der Wirbelschleppen sind stark genug, um die vorhandenen Strömungen umzulenken. Das hat eine Verschiebung der mittleren Temperatur- und Salzgehaltsverteilung in den Gebieten der Windparks zur Folge. „Die auftretenden Änderungen bleiben im Rahmen der interannuellen Variabilität. Dennoch zeigen sie ähnliche Größenordnungen auf, wie die vermuteten mittleren Änderungen aufgrund des Klimawandels oder der Variabilität von Jahr zu Jahr“, so Christiansen.
Eine weitere Konsequenz der Wirbelschleppen ist die Minderung von scherungsbedingten Prozessen an der Meeresoberfläche: Die von Winden hervorgerufene turbulente Durchmischung der Wasseroberfläche wird dutzende Kilometer um den Windpark reduziert. Wasser ist meist geschichtet, so liegt etwa eine Schicht mit wärmerem Wasser auf einer Schicht mit kaltem. Durch die Windparks wird die natürliche Schichtung gestört. Aufgrund der reduzierten Durchmischung wird eine stabilere Schichtung des Wassers begünstigt. Besonders auffällig war das während des Rückgangs der Sommerschichtung. Die natürliche Schichtung des Wassers ist im Sommer besonders markant und nimmt zum Herbst hin ab. Im Gebiet der Windparks wurde jedoch eine stabilere Schichtung außerhalb der jahreszeitlichen Schwankung berechnet.
„Die Größenordnung der induzierten mittleren Veränderungen deutet nicht auf schwerwiegende lokale Auswirkungen hin, allerdings treten weitreichende strukturelle Veränderungen im System auf“, sagt Christiansen. Und Hereon-Institutsleiterin Corinna Schrum ergänzt: „Die Veränderungen in der Strömung und Durchmischung beeinflussen voraussichtlich die Planktonproduktion und die Struktur des Nahrungsnetzes und können die Wirkungsweise von Schutzgebieten beeinflussen. Es ist also wichtig, diese Folgen bei der Entwicklung von Meeresschutzkonzepten zu berücksichtigen.“ Es seien aber weitere Untersuchungen erforderlich, um mögliche Rückkopplungen auf den Luft-Meer-Austausch zu analysieren. Eine Änderung dieses Austausches wirke sich potenziell auf regionale atmosphärische Bedingungen und die Ökosystemdynamik aus und wird Gegenstand weiterführender Studien sein.
Hereon / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
N. Christiansen et al.: Emergence of Large-Scale Hydrodynamic Structures Due to Atmospheric Offshore Wind Farm Wakes, Front. Mar. Sci., online 3. Februar 2022; DOI: 10.3389/fmars.2022.818501 - Institut für Küstensysteme, Helmholtz-Zentrum Hereon, Geesthacht