21.03.2022

Windvorhersage mit maschinellem Lernen

Schwer zu modellierende, gefährliche Windböen lassen sich mit künstlicher Intelligenz besser einschätzen.

Um Menschen und Umwelt besser schützen zu können, ist eine genauere Vorhersage von extremen Wetter­phänomenen wie Winterstürmen essenziell. Wissenschaftler des KIT haben nun Methoden der Statistik und des maschinellen Lernens für die Vorhersage von Windböen verglichen, um diese akkurater und verlässlicher zu machen. Das Einbeziehen geografischer Informationen und weiterer meteorologischer Variablen wie der Temperatur führt dabei zu signifikanten Verbesserungen der Vorhersage­qualität, insbesondere durch moderne KI-Methoden basierend auf neuronalen Netzen.

 

Abb.: Windböen können schwere Schäden anrichten. Mit Methoden der...
Abb.: Windböen können schwere Schäden anrichten. Mit Methoden der künstlichen Intelligenz soll ihre Wetter­vorhersage verbessert werden. (Bild: M.s Breig, KIT)

Starke Windböen, beispielsweise Sturmböen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 65 Kilometern pro Stunde, können große Schäden verursachen und zur Gefahr für Menschen, Tiere und Infrastruktur werden. Um wirksame Warnungen herausgeben zu können, sind frühzeitige und verlässliche Vorhersagen entscheidend. „Windböen lassen sich jedoch nur schwer modellieren, da sie durch kleinskalige Prozesse angetrieben werden und sehr lokal auftreten“, sagt Benedikt Schulz, Doktorand am Institut für Stochastik des KIT. „Deshalb ist ihre Vorhersagbarkeit für numerische Wetter­vorhersage­modelle, die bei Wetterdiensten eingesetzt werden, begrenzt und mit Unsicherheiten behaftet.“

Um solche Unsicherheiten von Vorhersagen besser abschätzen zu können, erstellen Meteorologen Ensemble-Vorhersagen. Ausgehend vom aktuellen Zustand der Atmosphäre führen sie parallel mehrere Modellrechnungen durch, die sich jeweils auf leicht unterschiedliche Rahmen­bedingungen beziehen. So können sie verschiedene Szenarien über die zukünftige Entwicklung des Wetters erfassen. „Trotz kontinuierlicher Verbesserungen zeigen diese Ensemble-Wettervorhersagen noch systematische Fehler, da lokale, teils zeitlich variable Gegebenheiten den Modellen nicht mitgegeben werden können“, so Schulz. „Mithilfe von künstlicher Intelligenz wollen wir diese systematischen Fehler korrigieren, um die Vorhersagen zu verbessern und gefährliche Wetterphänomene verlässlicher vorherzusagen.“

Gemeinsam mit Sebastian Lerch, der am Institut für Volkswirtschafts­lehre des KIT die von der Vector Stiftung geförderte Nachwuchs­gruppe „KI-Methoden für probabilistische Wetter­vorhersagen“ leitet, hat Schulz erstmalig eine Vielzahl verschiedener Verfahren aus Statistik und KI zum Nachbearbeiten von Ensemble-Vorhersagen für Windböen verglichen. „Wir haben sowohl bestehende als auch neue Methoden zur statistischen Nachbearbeitung numerischer Wettervorhersagen betrachtet und einen systematischen Vergleich ihrer Vorhersagequalität durchgeführt“, sagt Lerch.

Es zeigte sich, dass grundsätzlich alle Nachbearbeitungs­verfahren verlässliche Vorhersagen für die Geschwindigkeit der Windböen generieren. „Allerdings sind KI-Methoden dabei klassischen statistischen Ansätzen deutlich überlegen und liefern wesentlich bessere Ergebnisse, da sie es erlauben, neue Informationsquellen wie geografische Gegebenheiten oder weitere meteorologische Variablen wie die Temperatur und die Sonnen­strahlung besser miteinzubeziehen“, fasst Lerch zusammen. „Die Vorhersagen der KI-Methoden verringern dabei die Vorhersage­fehler der Wettermodelle durchschnittlich um etwa 36 Prozent“, so Schulz.

Basierend auf Vorhersagen des Wettermodells des Deutschen Wetter­dienstes (DWD) an 175 Beobachtungs­stationen in Deutschland lieferten die KI-Methoden an mehr als 92 Prozent der Stationen bessere Vorhersagen als alle Referenz­modelle zur statistischen Nachbearbeitung. Eine zentrale Rolle spiele dabei die Fähigkeit der neuronalen Netze, aus den verfügbaren großen Datenmengen komplexe und nicht-lineare Zusammenhänge zu lernen, um so die systematischen Fehler in den Ensemble-Vorhersagen zu korrigieren. „Durch die Analyse, welche der Informationen für die Methoden besonders relevant sind, lassen sich außerdem Rückschlüsse auf meteorologische Prozesse ziehen“, sagt Schulz.

Mit ihrer Arbeit wollen die Forscher zur Methoden­entwicklung für die Wettervorhersage an der Schnittstelle zwischen Statistik und KI beitragen. „Die untersuchten Methoden könnten beispielsweise bei Wetterdiensten eingesetzt werden, um die Vorhersagen zu verbessern“, so Lerch. „Dazu sind wir im aktiven Austausch mit dem Deutschen Wetterdienst und anderen internationalen Wetter­diensten.“

Die Forschung ist Teil des Sonder­forschungs­bereichs/Transregio 165 „Waves to Weather“ (W2W). Wissenschaftler des KIT, der Ludwig-Maximilians-Universität München als Koordinator und der Johannes-Gutenberg-Universität (JGU) arbeiten darin überregional und interdisziplinär zusammen, um Wetter­vorhersagen noch genauer und zuverlässiger zu machen. Damit stellt sich W2W der aktuell größten Herausforderung in der Wettervorhersage: die Grenzen der Vorhersagbarkeit in verschiedenen Situationen zu identifizieren und jeweils die physikalisch bestmögliche Prognose zu erstellen.

KIT / DE

 

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