24.07.2014

Winziger Sensor kann Krebserkrankung erkennen

Neuartige Technikplattform soll Diagnostik vereinfachen, beschleunigen und kostengünstiger sowie exakter gestalten.

Bei der Erkennung von Krebserkrankungen spielen Biomarker eine große Rolle. Das sind Biomoleküle, die auf das Vorhandensein eines bösartigen Tumors hindeuten, wenn sie in einer bestimmten Menge vorliegen. Dazu zählen beispielsweise HER2, das bestimmte Brustkrebsarten indizieren kann, und das Oberflächenprotein EpCAM, das bei Epithelzellentumoren verstärkt auftritt. Mithilfe von Antikörpern können diese Moleküle heute bereits detektiert werden. Doch das ist zeit- und kostenaufwändig. Die Analyse der Proben erfolgt in großen Labors.

Abb.: Dennis Holzinger bereitet einen Versuch mit dem neuartigen Analysechip vor. Er platziert ihn auf den Träger eines Elektromagneten, der das magnetische Kraftfeld zur Steuerung der zu untersuchenden Flüssigkeit auf dem Chip aufbaut. Mit einem Mikroskop (Mitte) kann Holzinger den Verlauf des Versuchs beobachten. (Bild: Dilling, U. Kassel)

Hier soll die Entwicklung aus Kassel vieles vereinfachen. Ihre neuartige Technik­plattform wollen die Wissenschaftler auf einem nur zwei Zentimeter großen, batteriebetriebenen Diagnose-Chip unterbringen, der ambulant und sogar vom Patienten selbst bedient werden könnte. Das ist zwar noch Zukunftsmusik. Doch innerhalb von drei Jahren könnte mit den Ergebnissen dieser Grundlagenforschung ein Prototyp gebaut werden, schätzt Arno Ehresmann vom Institut für Physik der Universität Kassel. Er arbeitet bei der Entwicklung des Sensorsystems mit Friedrich Herberg vom Institut für Biologie/Biochemie und dem Biochemiker Andreas Plückthun von der Uni Zürich zusammen. Ist der Sensor erst marktreif, könnte beispielsweise der Chirurg schon während einer Krebsoperation untersuchen, ob er sämtliches Tumorgewebe entfernt hat, erläutert Ehresmann.

Gemeinsam haben die drei Wissenschaftler die Grundlagen für die drei Komponenten der Erfindung entwickelt: Plückthun „baut“ im Labor maßge­schneiderte Fänger­moleküle, DARPins, spezielle, robuste Proteine, die in der Lage sind, Krebs-Biomarker besonders fest an sich zu binden. Herberg zeichnet für die komplexe Chemie zum Anhängen der Fänger­moleküle an magnetische Partikel verantwortlich. Ehresmann hat das Transport­system entwickelt, das genügend analyse­fähiges Material aus der zu untersuchenden Körper­flüssig­keit zum Sensor transportiert. 0,5 bis 2 Mikrometer kleine magnetisierte Polymerpartikel, in die magnetische Eisen­oxid­körnchen eingebettet sind, werden durch ein wechselndes Magnetfeld fortbewegt und gesteuert. Sie dienen den Fänger­molekülen, an die die Biomarker angedockt haben, als Vehikel auf ihrem Weg zum Sensor.

Dieser Transportprozess war die besondere Herausforderung für den Wissenschaftler. Denn die zu detektierenden Biomarker sind im Blut nicht gleichmäßig, sondern eher zufällig verteilt. Außerdem verursachen eine Vielzahl anderer Proteine und Moleküle beim Analysevorgang ein „Hinter­grund­rauschen“, das das Signal der gesuchten Biomarker überdeckt. Weiterhin verklumpen magnetische Partikel, weil sie sich gegenseitig anziehen. Alle drei Probleme hat Ehresmann gelöst. Er nutzt den sogenannten Super­para­magne­tismus, um die wechselnde magnetische Ausrichtung dieser Teilchen zu steuern und ein Verklumpen zu verhindern. Die bewegten Partikel sorgen für eine Verwirbelung der zu analysierenden Flüssigkeit und erleichtern so das Andocken von Biomarkern an die Fänger­moleküle. Horizontal gestapelte, dünne Schichten aus teilweise magneti­siertem Nano­material sorgen für ein magnetisches Kraftfeld, das die zu untersuchenden Molekül-Partikel-Gespanne wie in einem Geleitzug gleichmäßig zur Sensor­oberfläche lenkt. Während dieser „Reise“ durch­wandern sie mehrere parallel angeordnete streifen­förmige Flüssig­keits­kanäle, in denen Bestand­teile, die die Analyse verfälschen können, nach und nach aus der Flüssigkeit gewissermaßen ausgewaschen werden.

Für den Bau eines Prototyps sind noch hohe Investitionen notwendig. Ehresmann und seine Kollegen prüfen zurzeit, ob die Gründung eines Spin-Off-Unternehmens für die Vermarktung des Sensors geeignet ist, oder ob ein mittelständisches Unternehmen diese vielver­sprechende Technologie in ein Produkt umsetzt. Ehresmann ist ebenfalls an weiteren Koopera­tionen mit Ärzten interessiert, damit die vielfältig einsetzbare Technologie ziel­gerichtet aus­dif­feren­ziert werden kann. Die Forscher haben sich mit ihrem Projekt außerdem um Förder­mittel aus dem europä­ischen Forschungs­programm „Personalising health and care“ (PHC10) beworben, das die Entwicklung neuer Diagnose­methoden und -geräte zum Ziel hat.

U. KS / OD

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